Die Nase von Wien: Der Stadtwanderweg 1a

von Stadtstreunerin | Eva

Der Countdown läuft! Nur noch vier Stadtwanderwege liegen vor mir, bevor ich mir im Rathaus die Platin-Nadel als Belohnung abholen kann. Schon seit dem Jahr 2017 nehme ich mir vor, alle Wiener Stadtwanderwege abzugehen und sie hier zu dokumentieren. Mittlerweile sind aus elf Wegen 14 geworden und meine Motivation hinkt hinterher: Die meisten Stadtwanderwege in Wien sind zu kurz für einen Wandertag und zu lang für einen Spaziergang. Es dauert meistens einige Monate, bis ich wieder einmal Lust auf einen halben Tag Stadt-Natur-Mischung habe. Aber an einem Sonntag im August weiß ich: Jetzt kommt der Stadtwanderweg 1a dran!

Am Nasenrücken balancieren

Der nahe Verwandte des Stadtwanderwegs 1 beginnt in Nußdorf, fast am Ufer der Donau. Die Donau gibt auf dem ersten Teil der Strecke auch den Takt vor: Gemächlich fließend geht’s dahin, immer gegen den Strom bis zum Kahlenbergerdorf. Die kleine Ortschaft ist richtig pittoresk, wird aber leider durch die nahe Straße akustisch verschandelt – wie so vieles in der Autostadt Wien. Ein Schild informiert mich darüber, dass ich mich auf einem Fernwanderweg befinde, der von den Pyrenäen bis zum Plattensee führt. Die weite Welt, und Wien mittendrin!

Vorerst heißt es für mich aber erst mal: Schwitzen. Der Stadtwanderweg 1a wartet mit dem wohl steilsten Weg auf, den man in Wien finden kann. Der auf den Namen „Nasenweg“ getaufte Zick-Zack-Pfad hinauf auf den Leopoldsberg hat es wahrlich in sich – 250 Höhenmeter sind auf einer Strecke von nur 1,3 Kilometer zu überwinden. Kein Wunder, dass mich an diesem schwülen Nachmittag niemand überholt! Auf einer Bank lese ich die Aufforderung: „Bauts an Lift ein – DANKE!“, der ich mich nur anschließen kann. Ob die geplante Seilbahn auf den Kahlenberg je gebaut wird, ist weiterhin nicht entschieden. Aber, ganz ehrlich: So richtig schön ist die Aussicht von ganz oben eh erst dann, wenn man sie sich hart erarbeitet hat. Ha!

Kosaken & Klettern 

Ich lasse die besondere Flora des Nasenwegs hinter mir – hier wachsen die seltenen Flaumeichen – und umrunde die Kirche am Leopoldsberg, die wie immer geschlossen ist. Es ist ein geschichtsträchtiger Ort, allerhand Denkmäler und Gedenktafeln sind hier zu finden, unter anderem die Statuen dreier ukrainischer Kosaken. Die meisten Denkmäler, so auch die grimmig blickenden Kosaken, haben mit der „Zweiten Türkenbelagerung“ im Jahr 1683 zu tun. Eine etwas detailliertere Einbettung in den historischen Kontext bleibt leider aus. Prompt sieht sich eine vorbeigehende Spaziergängerin zu einem unpassenden Kommentar verleitet. 

Der weitere Weg führt mich auf breiten – sehr breiten – Wegen „hinüber“ zum nahen Kahlenberg. Auf einmal finde ich mich unter hölzernen Treppen und Plattformen wieder: Hier ist ein beliebter Waldseilpark, der auch mitten über dem Wanderweg verläuft. Ein Mann ruft mir zu: „Macht Spaß hier heroben!“ Er rät mir, ohne Kinder zu kommen, denn dann könne man auch bis fast ganz hinauf in die Baumwipfel klettern. Spricht mich definitiv mehr an als die letzten drei Stadtwanderwege 🙂 

Der polnische Kahlenberg

Die beliebte Aussichtsterrasse am Kahlenberg streife ich nur kurz, hier ist an diesem schönen Tag viel zu viel los. Ich höre einige Menschen Polnisch sprechen: Der Kahlenberg ist ein beliebtes Ausflugsziel bei Pol*innen, fast so etwas wie ein Teil der polnischen Identität. Das lässt sich auf den tapferen, letztlich erfolgreichen Einsatz polnischer Streitkräfte bei der – erraten! – Türkenbelagerung 1683 zurückführen. Anführer war damals der polnische König Jan III. Sobieski, nach dem heute ein Imbissstand benannt ist. Auch der aus Polen stammende ehemalige Papst Johannes Paul II. hat dem Kahlenberg im Jahr 1983 einen Besuch abgestattet. Und in der Josefskirche ist eine eigene Ecke eingerichtet, in der der polnischen Opfer im Zweiten Weltkrieg gedacht wird. Nicht nur beim Blick von der Aussichtsterrasse zeigt sich: Wien geht weit über die Grenzen der Stadt hinaus. 

Wein, Wald, Wasser

Die Aussichtsterrasse am Kahlenberg ist der höchste Punkt des Stadtwanderwegs 1a: „Von nun an geht’s bergab“, würde mein Vater sagen. Der Weg führt mich an mehreren beliebten Heurigen vorbei, die auch mit dem Auto zu erreichen sind. Stellenweise muss ich gegen SUVs um die Vorherrschaft auf dem Wanderweg kämpfen, aber dann zweigt der Weg links ab und verläuft wunderschön durch einen Weingarten, später durch den Wald. Und schon bald bin ich wieder im Kahlenbergerdorf, wo mich ein Hund lautstark „begrüßt“ – zum Glück mit einem festen Zaun dazwischen!

Nach all den Höhenmetern hinauf und wieder hinunter bin ich froh, dass ich den Rest der insgesamt elf Kilometer entspannt traben kann – der Weg führt wieder die Donau entlang nach Nußdorf. Geschafft! Mit einem Stempel mehr in meinem Wanderpass trete ich die lange Heimfahrt mit Straßenbahn und U-Bahn an. Und nehme mir vor, mich weder von Waldseilparks noch von der großen weiten Welt ablenken zu lassen und am Stadtwanderwege-Projekt dranzubleiben. Ich werde hier berichten! 


Wanderfazit

Weg: Haltestelle D-Wagen Nussdorf (bzw. Bahnhof Nussdorf) – Relegasse – Donaupromenade – Kuchelauer Hafenstraße – Billergasse – Kahlenbergerdorf – Nasenweg – Leopoldsberg (425 m) – Kosakendenkmal – entlang der Höhenstraße zur Josefinenhütte (Stempelstelle) – entlang der Höhenstraße zum Kahlenberg (484 m) – Kahlenberger Straße – Unterer Weisleitenweg – Waldbachsteig – Kahlenbergerdorf – Donaupromenade –Haltestelle D-Wagen 

Strecke: 11 Kilometer

Zeit: Ich war genau drei Stunden unterwegs.

Urteil: Der Nasenweg ist eine lohnende Herausforderung und macht den Stadtwanderweg 1a zu einem Highlight. Genug Wasser mitnehmen und auf die außergewöhnlichen Tiere und Pflanzen achten, die sich dort wohl fühlen. Alternativ fährt auch ein Bus hinauf auf den Leopoldsberg, dann geht es nur bergab. Die Wege sind überwiegend breit und bis auf wenige Abschnitte asphaltiert. Gut beschildert. 

Zum Weiterlesen

Hier findest du Berichte von den Stadtwanderwegen, die ich schon gegangen bin:

Stadtwanderweg 1 – Kahlenberg (2023)

Stadtwanderweg 2 – Hermannskogel (2021)

Stadtwanderweg 3 – Hameau (2022)

Stadtwanderweg 4 – Jubiläumswarte (2017)

Stadtwanderweg 4a – Ottakring (2021) 

Stadtwanderweg 5 – Bisamberg (2021)

Stadtwanderweg 6 – Zugberg-Maurer Wald (2022)

Stadtwanderweg 7 – Laaer Berg (2017)

Stadtwanderweg 8 – Sophienalpe (2021)

Stadtwanderweg 9 – Prater (2017)

Auch den Wanderweg rund um Wien bin ich schon gegangen:

Rundumadum – Rund um Wien (2020)

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