Es gibt ihn noch: meinen Plan, alle Wiener Stadtwanderwege abzugehen und hier davon zu berichten. Allerdings kann ich mich nur selten dazu aufraffen, deswegen läuft dieses Projekt bereits seit 2017 und ist noch immer nicht abgeschlossen.
So attraktiv das Konzept der mittlerweile 14 Wiener Stadtwanderwege auch ist, so schwierig gestaltet sich die Umsetzung für mich: Die Strecken sind zu kurz für einen ausgiebigen Wandertag und zu lange für einen Spaziergang, die teils recht zeitaufwendigen Öffi-Anreisen motivieren mich auch nicht gerade. Zwischendurch vergesse ich auch immer wieder auf das Projekt und so ziehen die Monate und Jahre ins Land…
Aber eines Tages im April ruft mich meine Wanderfreundin Maria an und fragt mich, ob ich spontan Lust auf eine kleine Runde im Wienerwald habe. Ja, habe ich! Mit dabei ist auch der 16-jährige Jay, der vom Wandern nicht allzu viel hält. Mal schauen, ob so ein Stadtwanderweg daran etwas ändern kann…. Wir treffen uns an einem frischen, frühlingshaften Nachmittag in Neuwaldegg und streben den Stadtwanderweg 3 an.
Historische Street Art im Wald
Der Weg führt uns ohne große Umwege von der Endstation der Straßenbahnlinie 43 in den Wald. Lange Zeit geht es schnurstracks geradeaus. Wir passieren die schöne Allee im Schwarzenbergpark mit ihren zwei obeliskenartigen Pfeilern, auf denen sich ein Wiener Vagabund namens Joseph Kyselak verewigt hat (wobei die Echtheit des Schriftzugs bezweifelt wird, aber lassen wir das mal beiseite). Kyselak war im frühen 19. Jahrhundert der erste echte Street-Art-Künstler der Welt, der sich auf verschiedenen Gebäuden und Denkmälern mit seinem Nachnamen verewigt hat – ein Vorläufer der heutigen Tagger. „Cool“, findet Jay.
Lost and found
Links und rechts neben den parallelen Baumreihen gibt es einiges zu sehen. Auf dem großen Kinderspielplatz, der an diesem Nachmittag ganz verwaist ist, wartet eine kleine Waldbahn auf uns. Maria übernimmt den Führerstand, für Jay und mich bleibt leider kein Platz mehr – also müssen wir wohl doch zu Fuß weiter 🙂
Der Weg führt uns dann eine Zeit lang steil bergauf auf das Hameau – eine große Wiese mit einem leerstehenden Haus, das von Jay sofort inspiziert wird: „Ich liebe Lost Places!“ Ein bisschen lost sind wir auch, als bei einer Abzweigung keine Wegweiser zu sehen sind. Aber intuitiv finden wir dann doch den richtigen Weg.
Als die Tiere den Wald…
Ein weiteres Highlight sind die zahlreichen Tiere, die uns im Laufe der Wanderung begegnen. In einem Teich finden wir Kröten, die sich in der Sonne wärmen und zwischen den Laichschnüren herumschwimmen. Forscher*innen beobachten sie dabei vom Ufer aus: „Das da ist eine Erdkröte, die größte Krötenart in Europa“, klärt uns ein Mann auf und zückt einen Stift, um in seiner Liste einen weiteren Strich zu machen.
Gleich nebenan sitzen ein paar Schildkröten auf einem Ast, hoch über ihnen jagen sich zwei Eichhörnchen und Spechte klopfen morsche Stämme auf. Es ist nicht zu übersehen: Der Frühling ist da! Da kann die Wanderunlust einpacken: „Schon ganz nice, Tiere nicht nur im Zoo zu sehen“, gibt Jay zu.
Durchs frische Grün, Rosa, Weiß
Nicht nur die Tierwelt ist im Frühling angekommen, auch die Pflanzen strecken sich dem Licht entgegen. Der Wald ist manchmal hellgrün gefärbt, manchmal rosa, manchmal weiß. Beim Betrachten der prächtigen Blüten und der zarten Blätter vergeht die Zeit sehr schnell, schon sind wir beim Häuserl am Roan angekommen. Neben dem Gasthaus, das zugleich die „Gipfelhütte“ des Dreimarksteins (454 Meter) ist, befindet sich die offizielle Stempelstelle für den Wanderpass. Mehr als die Hälfte der Stempel habe ich jetzt schon – ob mich das motiviert, beim Projekt Stadtwanderwege dranzubleiben? Ich werde hier berichten!
Weiter zum Waldbad
Das Häuserl am Roan hat leider zu, aber zum Glück habe ich an Proviant gedacht. Nach einer kurzen Pause geht es steil bergab weiter, wobei der Weg zwischendurch zu einem echten Stadt-Wanderweg wird. Wir kommen am Sportplatz der amerikanischen Schule vorbei und queren eine stark befahrene Straße.
Zuletzt folgt der Weg den Windungen des Kräuterbaches, eines typischen Wienerwaldbaches: Im Schatten der Bäume plätschert er leise und unaufgeregt vor sich hin. Die namensgebenden Kräuter bestehen dabei hauptsächlich aus Bärlauch. Dann eine kleine Überraschung: Bei einem besonders wurzeligen Baum bildet der Bach einen Pool!
So gerne ich auch schwimmen gehe, das Baden im Kräuterbach lasse ich doch aus und konzentriere mich lieber aufs Gehen. Nicht mehr lange und wir sind zurück im Schwarzenbergpark, wo der Weg seinen Anfangs- und Endpunkt hat. Bis zum nächsten Stadtwanderweg in ein paar Monaten!
Wanderfazit
Weg: Neuwaldegg (Endstation 43er) – Dornbacher Straße – Waldegghofgasse – Schwarzenbergallee – Schwarzenbergpark – Hameauweg – Hameau – Häuserl am Roan – Dreimarkstein – Waldrandweg – Kleeblattweg – Keylwerthgasse – Michaeler Wald – Geroldgasse – Schwarzenbergallee – Neuwaldegg (Endstation 43er)
Strecke: 10,5 Kilometer
Zeit: Vier Stunden mit vielen Pausen zum Beobachten und Staunen
Urteil: Die Route hat selbst mir als Wienerwaldkennerin ein paar neue Wege gezeigt; der letzte Abschnitt neben dem Kräuterbach ist durch die nahe Straße aber sehr laut. Die Wege sind nicht barrierefrei und der Anstieg auf das Hameau ist recht steil. Vom Häuserl am Roan bietet sich ein schöner Blick auf Wien. Insgesamt eine empfehlenswerte Strecke, die auch Wanderer*innen mit wenig Motivation überzeugt!
Zum Weiterlesen
Hier findest du Berichte von den Stadtwanderwegen, die ich schon gegangen bin:
Stadtwanderweg 2 – Hermannskogel (2021)
Stadtwanderweg 4 – Jubiläumswarte (2017)
Stadtwanderweg 4a – Ottakring (2021)
Stadtwanderweg 5 – Bisamberg (2021)
Stadtwanderweg 7 – Laaer Berg (2017)
Stadtwanderweg 8 – Sophienalpe (2021)
Stadtwanderweg 9 – Prater (2017)
Auch den Wanderweg rund um Wien bin ich schon gegangen:
Rundumadum – Rund um Wien (2020)