Wien für Wiener:innen

von Stadtstreunerin | Eva

„Leiwand“ ist ein Wort, das zu Wien gehört. Im Wörterbuch wird es mit der Bedeutung „großartig, toll“ in die (ost-)österreichische Umgangssprache eingeordnet. Lässig ausgesprochen, mit geleiertem „lei“, fängt das Wort ein Stück weit das Wiener Lebensgefühl ein – zusammen natürlich mit dem allgegenwärtigen „oida“ und dem ebenfalls immer passenden „ur“. Aber in welchen Orten ist diese Leiwandheit in Wien zu finden? Was ist es, das die Stadt in den Augen ihrer Bewohner:innen wirklich großartig und toll macht? Ich begebe mich auf eine – selbstverständlich höchst subjektive – Spurensuche quer durch Wien.


Leiwand? Na ja… 

Als gebürtige und gelernte Wienerin muss ich aber vorher gleich mal abschwächen: So super ist das Leben in Wien auch wieder nicht. Dass Wien jedes Jahr verlässlich zu einer der lebenswertesten Städte der Welt gewählt wird, entlockt mir nur ein müdes Schulterzucken. Ich finde: Die Sommer in Wien sind zu heiß, die Winter zu grau, die Straßen mit Autos verstopft und die Leute dauernd grantig. In meiner unendlich langen Schulzeit in Wien habe ich gelernt, die Dinge differenziert zu betrachten, und das gilt doch sicher auch für die Stadt selbst. Trotzdem lebe ich eigentlich eh ganz gerne in Wien. Und gelegentlich ist es tatsächlich richtig leiwand hier. 

Wien von seiner besten Seite

Wenn ich in der Innenstadt spazieren gehe, habe ich Mitleid mit den Tourist:innen, die nur die imperialen Ecken der Stadt zu sehen bekommen. Denn das wahre Leben in Wien spielt sich außerhalb des „Goldenen Hufeisens“ ab – so werden die Gassen rund um den Graben genannt, in denen die teuersten Geschäfte und Lokale angesiedelt sind. Die Straßenzüge, Gasthäuser und Eissalons (Wien hat eine beachtliche Dichte an Eissalons) betrachte ich nicht mit den staunenden Auge der Touristin, sondern ich erinnere mich: Hier haben früher die Familientreffen stattgefunden, als mein Vater noch gelebt hat. Hier habe ich eine verhängnisvolle Affäre begonnen, hier bin ich einmal mit dem Rad gestürzt, hier habe ich oft über das Leben philosophiert und dabei absolut nichts weitergebracht. Und ehrlich gesagt: Die meisten dieser Orte sind gar nicht mal sooo hübsch. Manche sind sogar richtig grindig und schirch (oder „schmutzig und hässlich“, wie es anderorts heißt). Deswegen habe ich auch eine klare Position zu den leiwandsten Orten in Wien: Sie bestehen aus Wäldern, Parks und Gewässern. Donauinsel, Wienerwald, ich komme!

Alltag in Wien

Ja, auch in Wien findet der ganz normale Alltag statt. Bei strömendem Regen auf die Straßenbahn warten, zum nächsten Termin hetzen, zwischendurch noch schnell ein Paket bei der Post abholen – ächz. Von den langen und dunklen Wintern gar nicht zu reden! Wenigstens hat die Stadt im alltäglichen Trubel ein paar nette Features zu bieten: das Leitungswasser zum Beispiel. Nach einem anstrengenden Tag heimkommen und ein paar Schluck des frischen Gebirgswassers zu trinken, das von den Alpen direkt in die Stadt fließt (ohne eine einzige Pumpe): Es gibt nichts Besseres! Klingt vielleicht banal, ist aber so. 

Wien hat zudem nicht nur ein 1A-Leitungswasser, sondern auch eine traditionsreiche Kaffeehauskultur. Für einen Kaffee ist in Wien immer Zeit. In den letzten Jahren ist der Kaffee deutlich besser geworden als früher; auch die Kellner sind mittlerweile freundlicher als ihr Ruf. So ändern sich die Zeiten, selbst in Wien: einer Stadt, der man nachsagt, dass hier sogar der Weltuntergang zeitverzögert stattfindet. Und wenn es eines Tages so weit ist – wir haben so viel Kunst, Kultur und schräge Dinge, dass wir bis dahin zumindest richtig gut unterhalten werden. Von A wie Algenmähboot bis Z wie Zahnradbahnstraße gibt es in Wien einfach alles, egal, ob man es brauchen kann oder nicht. 

Mitten in Europa

Was gibt es sonst über das Leben in Wien zu sagen? Es ist sehr vielfältig – und das nicht nur kulturell, sprachlich oder kulinarisch. Zwischen den letzten Ausläufern der Alpen und dem Beginn der pannonischen Tiefebene gelegen, bietet die Stadt eine Fülle von Lebensräumen für Pflanzen und Tiere. In Wien sind 22 Fledermausarten beheimatet, 110 geschützte Pflanzenarten (darunter 40 verschiedene Orchideenarten), Füchse, Wildschweine, Dachse, Eichhörnchen, die Wiener Schnirkelschnecke –  die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Die einzigartige Lage zwischen zwei Klimazonen setzt sich außerhalb der Stadtgrenzen fort: Wien liegt „dem Erdteil inmitten“, also mitten in Europa. Die nächste Hauptstadt – Bratislava – liegt gerade mal eine Stunde Zugfahrt entfernt; darüber hinaus lässt sich von hier aus der ganze Kontinent erkunden. Und das ohne Flugzeug, ist Wien doch unangefochten die Hauptstadt der Nachtzüge.

Das alles zusammen wäre aber immer noch nichts wert ohne die Menschen, die in Wien leben. Erst leiwande Menschen machen eine Stadt so richtig lebenswert. Und davon hat Wien zum Glück ziemlich viele 🙂 ♥


Tipps & Tricks für das Leben in Wien

Fortbewegung: Es soll Leute geben, die keine Jahreskarte der Wiener Linien besitzen, dabei ist die günstige Karte (365 Euro pro Jahr) die Voraussetzung schlechthin, um gut in Wien zu leben. Wien ohne Öffis? Kaum vorstellbar!

Kultur: Als Liebhaberin zeitgenössischer Kunst schätze ich vor allem die Wiener Museen und Kinos, darunter das Architekturzentrum Wien, das mumok, das MAK, das 21er Haus, das Admiral Kino, das Gartenbaukino etc. Natürlich gibt es noch viel mehr: Das Angebot ist beinahe unüberschaubar, vor allem, seitdem die Theaterspielpläne von den Litfasssäulen verschwunden sind. Die Investition in die Niederösterreich-Card lohnt sich übrigens auch in Wien. Nicht nur sind zahlreiche Museen darin inkludiert, sondern auch eine Fahrt mit dem Riesenrad. (Das nehme ich mir schon seit Jahren vor, aber für eine echte Wienerin sind die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt einfach… nicht so wichtig.) 

Essen und Trinken: Die in der Stadt produzierten Mannerschnitten gehören ebenso zur Grundversorgung wie ein 16er Blech (eine Dose Ottakringer Bier) und ein weißer Spritzer, am besten aus Wein, der im Stadtgebiet angebaut wird. Außerdem relevant: Würstelstände (obwohl deren Niedergang seit Jahren beschworen wird) und Kebabstände, bodenständige Gasthäuser und Hipster-Bars. Zu meinen Favorites gehören u.a. das urige Gasthaus Peschta beim Bahnhof Hütteldorf, die Hornig Café Bar im Siebten, der Berliner Döner für ein Falafelsandwich mit extra Käse, der Zanoni-Eissalon am Lugeck (bestes Eis!). Oder: Jause im Supermarkt kaufen und auf der nächsten Parkbank verzehren. Mahlzeit!

Schwimmen: Im Wiener Stadtgebiet schwimmen zu gehen – noch dazu in Gewässern mit Trinkwasserqualität -, ist ein Luxus, an den wir wie selbstverständlich gewöhnt sind. Meine Lieblingsbadeplätze befinden sich an der Alten Donau: im Sommer im sehenswerten Gänsehäufel oder im familienfreundlichen Angelibad, im Winter bei der Romawiese. Darüber hinaus hat Wien viele Frei- und Hallenbäder, die teils architektonisch herausragend und noch dazu recht günstig sind. 

Lieben: Wien lieben geht am besten etwas außerhalb der dicht bebauten Stadtviertel, zum Beispiel auf den Steinhofgründen, am Kahlenberg oder am Wilhelminenberg. Auf das Häusermeer runterschauen und sich denken „Hier bin ich daheim“ bzw. „Do bin i daham“ – einfach nice und absolut zeitlos.


Leiwand oder doch oasch: Zu Wien hat jede:r eine Meinung. Was ist deine? Schreib gerne etwas in die Kommentare oder schicke mir eine Nachricht an eva (at) stadtstreunen.at.

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