Fast zehn Jahre sind vergangen, seit ich mein Erasmussemester in der slowenischen Hauptstadt verbracht habe. Viel hat sich seitdem in meinem Leben geändert, aber ist Ljubljana/Laibach auch anders geworden? Zeit für einen Ausflug zurück in die Vergangenheit!
Eine Sommernacht in Ljubljana
An einem lauen Juliabend erreichte ich Ljubljana und fand sofort in den Rhythmus der Stadt hinein. Der Klang der slowenischen Sprache war mir so vertraut wie eh und je, ebenso wie ihre vielen schönen Wörter. Pozdravljena lepa dežela, kako dolgo se nisva videli! Als ich dann an der Rezeption meines Hostels gefragt wurde, ob ich Slowenin bin oder zumindest slowenischer Abstammung, hatte ich alle Mühe, nicht ins Pathos zu kippen. Endlich wieder hier!
Ein kleiner Stadtrundgang am Abend ließ mich staunen, wie lebendig Ljubljana geworden ist. Unter die Menschenmengen am Ufer der Ljubljanica mischten sich Musiker und Straßenkünstlerinnen, am Prešerenplatz fand eine Feuershow statt, ein Trommler trat gegen einen Ziehharmonikaspieler an.
In einem Lokal sprachen mich zwei Slowenen an, die sich darüber beklagten, dass Ljubljana früher viel gemütlicher gewesen sei. Später tranken wir Wein aus dem Karstgebiet und hingen bei langsamen slowenischen Liedern den alten Zeiten nach. Dann aber mischte serbischer Hiphop unseren Abend auf: „Alles Coole hier kommt aus Serbien“, wurde mir erklärt. Alles wie gehabt also!
Quer durch die Stadt
Am nächsten Tag unternahm ich einen ausgedehnten Spaziergang durch die Stadt. Einen Stadtplan brauchte ich nicht, ich ging einfach darauf los – nach und nach fiel mir wieder ein, welche Ecken ich früher besonders gern gehabt hatte. Zunächst folgte ich meinen ausgetretenen Pfaden auf der Trubarjeva Cesta, deren Häuser seit jeher voller Schriftzüge, Graffiti und Bilder sind.
Das historische Zentrum war so hübsch herausgeputzt wie schon vor zehn Jahren. Die Hitze trieb mich aber bald in die Stadtgallerie, wo ich bei freiem Eintritt allerhand schräge Interventionen des slowenischen Künstlers Ištvan Išt Huzjan besichtigen konnte.
Dann zog es mich in einen ruhigeren Teil der Altstadt, den ich fast ganz für mich alleine hatte. Noch mitten im historischen Zentrum wirkte die Stadt schon wie ihre eigene Vorstadt: Alleen mit Villen aus der Zwischenkriegszeit fand ich da, schattige Spazierwege entlang eines Seitenarms der Ljubljanica, dazwischen eine mächtige graue Kirche. Trotzdem war ich froh, als ich endlich das ausgedehnte Grün des Tivoliparks erreichte.
Im Tivolipark
Endlich ein bisschen Abkühlung! An einem Teich konnte ich im Schatten von Kastanienbäumen sitzen und Seerosen betrachten.
Dann musste ich unterhalb einer Brücke ein Foto nachstellen: Auf dem Original, aufgenommen irgendwann im Frühling 2008 und mittlerweile leider verschollen, sieht man mich mit langen blonden Locken, einer Brille und buntem Gewand. Mittlerweile ist so ziemlich alles anders – bis auf das Lachen vielleicht!
Am Weg zurück zum Hostel fand ich heraus, dass die Slovenska Cesta, früher ein vielbefahrener Straßenzug, mittlerweile zu einer Art Begegnungszone geworden ist. Das Viertel wirkte dadurch gleich deutlich entspannter. Ich bildete mir auch ein, mehr Menschen auf Fahrrädern zu sehen – jedenfalls bemerkte ich einiges mehr an Radfahrinfrastruktur, als ich in Erinnerung hatte.
Abends am Fluss
Am Abend holte ich mir ein Eis von der berühmten Konditorei Zvezda. Sie ist immer noch so legendär wie früher! Am Weg dorthin spazierte ich das Ufer der Ljubljanica entlang und kam an der Brücke mit den vier Drachen vorbei, dem Wahrzeichen der Stadt.
Die Schriften von Ljubljana
Ein weiteres, eher informelles Charakteristikum von Ljubljana war für mich immer schon die Präsenz von Schrift im Stadtbild. Nach und nach weckte sie seinerzeit mein Interesse für die städtische Sprachenlandschaft und ich war froh, sie bei meinem jetzigen Besuch wiederzufinden: weise Aussagen an den Häuserwänden genauso wie wütende Parolen auf Brückenpfeilern und tiefgründige Werbeplakate. Sogar zwei kyrillische Aufschriften konnte ich entdecken, die an jugoslawische Zeiten erinnerten.
Ein spezielles Fundstück stellte eine Wand auf der Toilette eines Innenstadtlokals dar: Hier fand ich das komplette Verbparadigma des Verbs dihati ‚atmen‘. Natürlich inklusive der typisch slowenischen Zweizahl (Dual), die sich nur in wenigen slawischen Sprachen erhalten hat: dihava – wir beiden atmen, dihata – ihr beide atmet, dihata – die beiden atmen. Ist sie nicht schön?
Emona lässt grüßen
Was mir zu Erasmuszeiten gar nicht so bewusst war, ist die römische Vergangenheit von Ljubljana, das früher Emona hieß. Bei meinem Spaziergang durch die Vorstadtinnenstadt stolperte ich plötzlich mitten in das gut erhaltene römische Kanalsystem hinein und besuchte bei der Gelegenheit gleich noch die Überreste einer ehemaligen Basilika samt Taufbecken.
Metelkova je tudi tvoje mesto
Die Metelkova, einst eine jugoslawische Kaserne und mittlerweile längst ein etabliertes alternatives Kulturareal, ist eine kleine Stadt in der Stadt. Untertags bunt und abgewrackt, ist sie zu einem beliebten Fotomotiv junger Tourist*innen geworden. In der Nacht aber entfaltet sich ihre eigenartige Schönheit erst voll, die sich am besten von dem wackeligen Turm in ihrer Mitte aus betrachten lässt.
Einmal zur Save und zurück
Am nächsten Tag borgte ich mir ein Rad aus und machte mich auf den Weg Richtung Norden. Vor zehn Jahren war ich noch nicht so eine ehrgeizige Streunerin wie heute und blieb meistens im Zentrum von Ljubljana. Zeit, das zu ändern!
Gleich nach dem Bahnhof kam ich an meinem ehemaligen Student*innenheim in der Vilharjeva Cesta vorbei. Es sah kein bisschen gemütlicher aus als damals, als wir uns wenige Quadratmeter zu zweit teilten und pro Stockwerk nur ein paar Duschen und WCs am Gang hatten. Küche gab es in dem Haus keine, weswegen ich beinahe täglich auswärts essen musste. Nach dem Semester hatte ich mal länger keine Lust auf Fast Food und Mittagsmenüs!
Durch einen neu gestalteten Park gleich neben dem Heim ging es weiter nach Norden. Nach wenigen Kilometern auf ruhigen Straßen erreichte ich eine markante Wohnsiedlung und fand zufällig den Pot spominov in tovarištva, den Weg der Erinnerung und Kameradschaft. In einem großen Kreis führt er rund um Ljubljana – stets auf den Spuren des Stacheldrahtes, der von der italienischen Besatzungsmacht 1942 errichtet und später von der deutschen Wehrmacht übernommen wurde. Ziel war es, die Widerstandsbewegung der Osvobodilna Fronta vom Hinterland zu isolieren. Insgesamt war Ljubljana im Zweiten Weltkrieg 1.170 Tage lang umzäunt!
Während meines Erasmussemesters bekam ich einiges von der jugoslawischen und slowenischen Geschichte mit, aber der Pot mit seinen zahlreichen Gedenksteinen war mir entgangen. Umso beeindruckter war ich jetzt!
Auf der Höhe des städtischen Friedhofes in Žale bog ich nach links Richtung Save ab. Ich kam durch den Ort Tomačevo, der zwar noch zum Stadtgebiet gehört – mit seiner kleinen Kirche, den typischen Stangen zum Heutrocknen und den Feldern rundherum bildete er aber mehr ein Dorf für sich. Nach einem Reitstall erreichte ich schließlich die Save. Ein Fluss mit schöner Farbe, aber eiskaltem Wasser!
Damit nahm mein Ausflug nach Ljubljana ein schönes und äußerst erfrischendes Ende.
Adijo, Ljubljana, fajn se imej!
Weiter in Nostalgie schwelgen
Adi Smolar – Soboška frajla / Polna lunca
Čompe – Uspavanka za dnevno rabo / Ti si bila
Vlado Kreslin – Tam v meglicah nad mursko vodo / Preko Mure, preko Drave
Katalena – Aj, zelena je vsa gora / Zrelo je žito / Da göra ta škarbinina
Ansambel Lojzeta Slaka – V dolini tihi
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1 Kommentare
Ljubljana ist echt eine der schönsten und lebenswertesten europäischen Hauptstädte – allein das viele Grün überall. Und jo, Nächte im Metelko-Squat können schon was, das kann ich nur bestätigen 😉 Ist aber auch bei Tag nicht schlecht, ein ungetrübter Blick auf die Kunstwerke schadet ja auch mal nicht ^^