In der schönen kalten Donau: Schwimmen von Oktober bis April

von Stadtstreunerin | Eva

Der Frühling steht gewöhnlich für einen Neuanfang – es sei denn, man gehört zu den wenigen, die sich für sehr kaltes Wasser begeistern können! Dann geht im Frühling auch etwas zu Ende: eine lange, kalte, herrliche Schwimmsaison.

Ich schwimme seit dem Herbst 2018 auch im Winter, am öftesten in der Alten Donau in Wien. Vergangenen Oktober hat also bereits meine dritte Winterschwimm-Saison begonnen! Ich habe mir diesmal vorgenommen, meine Abenteuer in und rund um das kalte Wasser der Alten Donau hier auf Stadtstreunen.at zu dokumentieren.

Du findest in diesem Artikel also Eindrücke, Beobachtungen und Fotos von Oktober 2020 bis April 2021. Danach folgen viele Tipps und Tricks für alle, die das mit dem kalten Wasser auch mal probieren wollen. Go, go, go! (Kaltes Wasser gibt es übrigens auch im Sommer, z.B. in manchen Saunen mit Kältebecken, in Flüssen und in Gebirgsseen.) 


Juhu, Saisonstart!

10. Oktober 2020

Heute ist der World Mental Health Day, der Welttag für psychische Gesundheit. Wie passend, dass ich heute zum ersten Mal in der Saison schwimmen gehen möchte! Kaltes Wasser wirkt sich schließlich nicht nur auf den Körper, sondern auch auf das Seelenleben sehr positiv aus, was ich nur bestätigen kann.

Am Weg zu meinem Schwimmplatz auf der Romawiese höre ich, wie sich zwei Spaziergänger über Haubentaucher unterhalten, und bin ein bisschen neidisch. Haubentaucher sind ja auch wirklich ein tolles Gesprächsthema! Ich beobachte ein Segelboot, das gegen den Herbstwind kämpft, und sehe zwei andere Schwimmer. So wie ich stellen sie sich dem kalten Wasser ganz ohne Neoprenanzug. 

Für Anfang Oktober ist das Wasser schon richtig kalt – dabei war doch gerade noch Sommer! Die aufziehende Front schlägt mir Wellen ins Gesicht, Krähen bedecken den Himmel. Die ersten Tropfen fallen, ich verlasse das Wasser, ziehe mich so schnell wie möglich um und fahre mit meinem Rad durch den Regen bis zur nächsten U-Bahn-Station.

Abstandhalten leicht gemacht!

Ein Sturm zieht auf

Und los geht’s!

Gegen das Grau anschwimmen

15. November 2020

Ein typischer Novembertag ist das heute: trüb und grau, düster und hoffnungslos. Früher hätte ich mich wohl zuhause verkrochen, heute gehe ich an solchen Tagen eigentlich ganz gerne schwimmen. Erst recht dieses Jahr: Wir sind mittendrin in einem Lockdown, momentan lässt sich nicht allzu viel anstellen. Außer Schwimmen eben!

Ein Mann wünscht mir, dass ich gute Fotos mache, ein anderer hievt gerade sein Boot aus dem Wasser. Zwei Frauen unterhalten sich darüber, wie viele ihrer Bekannten schon mit Corona infiziert waren und wie das mit den Schulschließungen werden wird. Als ich ins Wasser gehe, werde ich von einem kleinen Mädchen bestaunt. Ich winke der Kleinen zu und freue mich, dass sie sich immer wieder nach mir umdreht, als sie weitergehen muss.

Das Wasser ist diesmal ruhig und mit acht bis neun Grad noch halbwegs erträglich. Ich muss mich kaum überwinden, den ersten Schwimmzug zu machen. Im Wasser kommt dann alles zum Stillstand, es gibt nur noch meinen Atem, keuchend und laut.

Mehr November geht nicht!

Ein letzter Rest Farbe

Vorsichtiger Blick ins Wasser

Acht Grad!

Es wird kalt und immer kälter…

13. Dezember 2020

Heute begleitet mich meine Freundin Marlene an die Alte Donau. Während wir von der U6-Station Neue Donau zur Romawiese spazieren, besprechen wir die schwierigen Themen des Lebens: Es geht um Konflikte, um Schuldgefühle, um Ängste. Eindeutig – da kann nur noch kaltes Wasser helfen!

Die Alte Donau hat heute gerade mal fünf Grad Wassertemperatur, es ist einfach eisig. Trotzdem bin ich nicht die einzige im Wasser: Wir sehen insgesamt fünf andere Schwimmer*innen. Die vielen Medienberichte in letzter Zeit tragen wohl dazu bei, dass auch hierzulande immer mehr Menschen neugierig auf das Eisschwimmen sind. (In anderen Ländern, etwa in Finnland, hat das Schwimmen oder Baden im kalten Wasser eine lange Tradition.)

Die Sonne kommt hervor und bringt das Wasser zum Schimmern. Traumhaft schön, aber die Kälte zwingt mich dann doch hinaus. Wieder am Ufer, sieht das Leben gleich ganz anders aus! Am Heimweg sprechen wir über die schönen Dinge des Lebens, neue Ideen und Inspirationen, während ich vor mich hin zittere. Richtig warm wird mir erst zuhause wieder, unter der heißen Dusche.

Will ich da wirklich rein?

Ja!

Die Letzte, die Schönste

Auch die Vögel sollen glücklich sein!

Im rosa Wasser plantschen

27. Dezember 2020

Nach den heimeligen Weihnachtstagen bin ich heute nur mäßig motiviert, an die Alte Donau zu fahren. Wie gut, dass Marlene wieder mitkommen möchte, so habe ich keine Ausrede! Es ist ungemütlich kalt und windig – sogar die sonst eher ruhig dahinfließende Donau wirft richtige Wellen. Wir drehen also lieber eine große Runde durch den Donaupark.

Am Ende unseres Spaziergangs reizt es mich aber doch noch. Ich gehe ganz schnell ins Wasser, mache meine paar Tempi („damit es als Schwimmen zählt“) und bin sofort wieder draußen. Mein Körper färbt sich rosa, der Himmel färbt sich rosa, das Wasser färbt sich rosa, viele Krähen fliegen über uns hinweg. Der Winter ist schön, so wunderschön…. ganz besonders in der Alten Donau!

Frohe Weihnachten!

Zugefrorener Teich im Donaupark

Rosa Wellen laden ein

Zur Belohnung gibt’s einen Krähenschwarm!

Gemeinsam zittern und frieren

31. Jänner 2021

Diesmal mische ich mich unter Publikum. Jeden Sonntag um 14 Uhr treffen sich die Eisschwimmer*innen von Wien an der Alten Donau (Höhe U1), um das eisige Vergnügen mit anderen zu teilen. Ich plaudere mit zweien, die heute erstmals im kalten Wasser waren – so mutig! -, und erzähle ihnen von meinen ersten Versuchen im November 2018. Ich war damals nicht darauf vorbereitet, dass das kalte Wasser ein Schock- und Schmerzerlebnis ist, und habe vergessen zu atmen. Das war erst recht ein Schock! Seitdem atme ich, komme, was wolle.

Das Wasser ist heute mit drei Grad Wassertemperatur sogar etwas wärmer als die Luft (zwei Grad). Trotzdem bin ich nicht lange drinnen, es ist wirklich kalt und tut wirklich weh. Ende Jänner schwimmen zu gehen, das geht definitiv an meine Grenzen!

Beim Umziehen beobachte ich eine Frau mit rosa Ohrenschützern, wie sie ruhig im Wasser steht und die Arme über dem Wasser weit von sich wegstreckt. Ein Schwan schwimmt in ihre Nähe, aber sie rührt sich nicht. So steht sie etliche Minuten da, bevor sie wieder ans Ufer kommt. Ich fahre so schnell wie möglich mit der U-Bahn heim, mir ist unendlich kalt. 

Große Liebe Winterwasser

Gemeinsam friert es sich leichter!

Der Frühling naht

Schwimmen unter Knospen

28. März 2021

Beim letzten Mal Schwimmen im Jänner habe ich mich verkühlt – etwas, das mir davor noch nie passiert ist. Eigentlich stärkt das kalte Wasser ja das Immunsystem, aber bitte… Bis ich wirklich wieder fit bin und an die Alte Donau zurückkehre, vergehen ganze zwei Monate. 

Auf der Romawiese unterhalten sich zwei Leute über die Langzeitfolgen von Corona-Infektionen, während ein junger Mann mit seinem Kajak sanfte Schneisen durch das Wasser zieht. Zwei Männer in Badehosen laufen motiviert in das Wasser hinein und sind dann ganz erstaunt: „Tut dir das Wasser auch so weh?“, fragt einer den anderen. 

In den Kleingärten sind Sträucher mit bunten Eiern geschmückt, rechtzeitig zu Ostern nächste Woche. Beim Ufer finde ich eine kleine hölzerne Schatztruhe mit einem hübschen Muster, innen drinnen finde ich aber nur rostige Scharniere, Schimmelflecken und einige Ameisen. 

Der Baum neben meiner Einstiegsstelle hat lauter weiße Knospen auf seinen Ästen, einzelne sind schon aufgeblüht. Der Frühling ist da, aber das Wasser ist noch kalt, es hat gerade mal sieben Grad. Ich zögere lange, bevor ich mich überwinde, und frage mich, wie ich das eigentlich im tiefsten Winter geschafft habe.

Unterwegs mit Kajak

Eine Knospe ist schon aufgeblüht!

Federleicht

Die Alte Donau im Frühling

Ein letztes Mal

22. April 2021

Heute ist der Earth Day, der Tag der Erde. Ein passender Tag, um sich voll und ganz der Natur auszuliefern und sich mit ihr zu verbinden! Ich gehe heute ein letztes Mal in der Alten Donau schwimmen, bevor der Mai kommt und damit – nach dem Glaubenssatz meiner Oma – der erste Monat im Frühjahr, in dem man endlich schwimmen darf („Schwimmen gehen kannst du in allen Monaten ohne ‚r‘ im Namen!“). Schade, dass sie schon lange nicht mehr mitverfolgen kann, was ich daraus gemacht habe…

Der Frühling ist mittlerweile voll und ganz an der Alten Donau angekommen. Zartes Grün überzieht die Romawiese, die Wasservögel führen ihre Jungtiere aus, es hat 13 Grad und auch das Wasser hat die 10-Grad-Marke schon geknackt. Trotzdem bin ich mir nicht sicher. Als ich mit den Beinen im Wasser stehe, frage ich mich, ob ich das wirklich will. Und obwohl ich in den letzten Monaten pandemiebedingt einiges an mentaler Stärke eingebüßt habe, lautet die Antwort ganz klar: Ja!

Wer wirklich ins kalte Wasser will, schafft es auch, so lautet eine alte Weisheit. Und tatsächlich gleite ich dann sanft in die Wellen hinein. Am Ende stehe ich aber vor einer völlig neuen, noch nie dagewesenen Herausforderung: Ich habe mein Handtuch zuhause vergessen! Ich verleihe mir eine imaginäre Medaille für maximale Verpeiltheit. Aber am Ende meiner dritten Saison im kalten Wasser kann mich zum Glück nichts mehr so bald aus der Ruhe bringen…

Der Frühling bringt frische Triebe

Wilder Garten beim Schilf

Eine Wiese zum Hineinlegen

Schnell zurück zur Mama!


Tipps & Tricks

Equipment: Eine gute Ausrüstung ist wichtig. Ich habe meistens folgende Dinge mit: einen Badeanzug (finde ich besser als einen Bikini), ein Paar Neoprensocken (wegen der Steine), eine knallrote Schwimmboje, eine Haube (der Kopf sollte nicht auskühlen), ein Thermometer, eine Unterlage, zusätzliches Gewand für danach (Wollsocken, eventuell eine extra Strumpfhose und eine zweite Haube), Wärmemantel (erst seit heuer – aber lohnt sich), mindestens ein Handtuch (!!!), eine Thermoskanne mit Tee, eine Belohnung (Lebkuchen, Schokolade, Datteln, …) und mein Maskottchen (ein kleines Seepferdchen). 

Gesundheit: Eisschwimmen (d.h. Schwimmen unter fünf Grad Wassertemperatur) zählt grundsätzlich zu den Extremsportarten. Ein medizinischer Check ist also wichtig, besonders im Bereich Herz-Kreislauf. Ich hole mir jedes Jahr vor Saisonbeginn das Okay meiner Ärztin („Was, Sie schwimmen im kalten Wasser? Ich könnte das nie – aber mit Ihren Werten dürfen Sie das!“). Das geht ganz einfach im Rahmen der kostenlosen Vorsorgeuntersuchung. 

Mindset: Die Gedanken spielen eine besondere Rolle. Will ich wirklich hinein ins kalte Wasser, schaffe ich es auch – der Körper hält schließlich viel mehr aus, als ich mir vorstellen kann (meistens zumindest). Allerdings sollte man das mit dem Wollen auch nicht übertreiben! Es gilt also, die richtige Balance zwischen Kopf und Körper zu finden – natürlich auch abhängig von der Tagesverfassung. Und: Es muss nicht immer Schwimmen sein, auch Baden ist okay. Oder einfach mal nur die linke kleine Zehe ins Wasser halten!

Dauer: Ich gehe sehr langsam hinein und lasse mir Zeit, bis ich den ersten Schwimmzug mache. Dann bleibe ich nicht lange im kalten Wasser. Eine Faustregel besagt: So viel Grad das Wasser hat, so viele Minuten sollten es maximal sein. Mir gefällt da das Motto der britischen Mental Health Swims-Bewegung: „Dips not Distance“.  Beim Schwimmen rückt das Höher-Schneller-Weiter in den Hintergrund – was zählt, ist einzig und allein der Kontakt mit dem kalten Wasser. Abgesehen davon brauche ich auch noch einiges an Energie für das Umziehen danach (eine langwierige Prozedur mit eiskalten, zitternden Händen) und die Heimfahrt.

Never swim alone: Ein wichtiger Grundsatz beim Schwimmen im offenen und auch im kalten Wasser. Ich gehe trotzdem ab und zu alleine schwimmen. Warum? Weil ich Erfahrung habe, die Einstiegsstelle gut kenne, eine Boje mit dabei habe und nie weit hinaus schwimme. 

Schwimm, Seepferdchen, schwimm!


Zum Weiterlesen

Ich habe hier auf Stadtstreunen.at schon einige Male über das Winterschwimmen berichtet:

Schwimmen in der Dechantlacke (Lobau), Wien (2018)

Schwimmen im Müggelsee, Berlin (2019)

Schwimmen im Pressegger See, Kärnten (2020) 

Außerdem war ich seit Herbst 2018 in folgenden kalten Gewässern schwimmen:

  • Wien: Wienerbergteich, Kaiserwasser, Neue Donau
  • Niederösterreich: Greifenstein, Altenwörth, Ratzersdorfer See
  • Burgenland: Neusiedler See
  • Salzburg: Ritzensee, Zeller See, Klammsee
  • Tirol: Schwarzsee

Melde dich gerne bei mir, wenn du mehr über das Schwimmen im kalten Wasser erfahren möchtest!


Bonusbilder

1. Der Baum der Jahreszeiten

Herbst

Spätherbst

Winter

Frühling

2. Die Bootsanlegestelle

Herbst

Spätherbst

Winter

Frühling

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