Nebel, See und Bregenz

von Stadtstreunerin | Eva

Kurz vor Weihnachten führen mich meine Wege nach Bregenz, Hauptstadt von Vorarlberg und zugleich westlicher Außenposten von Österreich. Außenposten? Das mag meine ostösterreichische Perspektive sein, in Bregenz selbst habe ich mehr das Gefühl, mittendrin zu sein.

Allerdings nicht unbedingt in Österreich – eher in einer alemannischen Kulturlandschaft: Die Bauweise der Gebäude und Kirchen erinnert mich an meinen Aufenthalt in Zürich vor zwei Jahren, der recht ungewohnte Vorarlberger Dialekt lässt mich wenigstens einen Nachmittag darauf vergessen, dass ich derzeit aufgrund der Reisebeschränkungen nicht viel weiter komme als bis nach Bregenz.

Schweiz? Österreich? Bregenz!

It’s corona time!

Mittendrin bin ich auch in etwas anderem – in dichtem Nebel, der vom Bodensee, dem drittgrößten See in Europa, aufsteigt und die Stadt grau und kalt einhüllt. Vom Bahnhof sind es nur ein paar Schritte bis zum Ufer und schon sehe ich Enten, Schwäne, Möwen und sogar einen Eisvogel. Ich versuche, seinem schillernden Gefieder zu folgen, aber bei dem Nebel habe ich keine Chance.

Dafür entdecke ich den Fischersteg, der verhindern sollte, dass sich die Haken und Würmer der Fischer in den Mänteln der noblen Damen am Ufer verheddern. Abstand war eben schon anno dazumal in! Zwischendurch war der kleine Steg sogar mal eine Andockstation für Wasserflugzeuge, heute aber steht er ganz verlassen da. 

Kleiner Steg, großer Abstand

Möwenparade

Ein Blick auf den Boden

Großer Baum, großes Herz!

Auch die Innenstadt von Bregenz ist menschenleer. Ein Weihnachtsbaumverkäufer wartet vergeblich auf Kundschaft, hat aber immerhin seine dunkelgrünen Tannen und Fichten als Gesellschaft. Die Straßen und Plätze sind verwaist, aber als ich zur Oberstadt hinaufsteige, entdecke ich kleine Botschaften an einem Christbaum.

Viele gute Wünsche sind dabei, Parolen zum Durchhalten in der Pandemie, und auch durchaus nachvollziehbarer Hass: „Ich wünsche mir, dass Corona schon 200 Jahre alt ist, dann stirbt es nämlich“, schreibt da ein Kind. Ein paar Meter weiter stellt mir ausgerechnet eine Regenrinne die Frage: „Was kostet es, mutig zu sein?“ 

In Gesellschaft von Christbäumen

Markt und Straßen steh’n verlassen…

Jawohl!

Etwas Mut kann ich in der Bregenzer Oberstadt tatsächlich ganz gut gebrauchen. Nicht nur ist der Nebel so dicht, dass die Spitze des mächtigen Martinsturms kaum noch zu erkennen ist, hier quaken auch Laufenten in den Gärten, Störche hängen von Fassaden herab und steinerne Treppen führen steil hinab ins Nichts. Dort finde ich aber zum Glück dann doch etwas – die katholische Kirche St. Gallus, die mir ein bisschen Wärme und Schutz bietet.

Das Haus zum hängenden Storch

Am Rückweg finde ich den vorher verwaisten Leutbühel-Platz voller Menschen vor. Ich komme schnell drauf, dass es sich um eine Demonstration „gegen Corona“ handelt. Ich bin ja auch gegen die Pandemie, aber nicht so – also verschwinde ich, so schnell ich kann. Ein paar Meter weiter bemühen sich drei junge Frauen mit aller Kraft und einer Gitarre, gegen die grölenden Demonstrant*innen anzusingen: I wanna wish you a merry Christmas! Die Weihnachtsstimmung hält sich aber trotz ihrer Bemühungen in Grenzen. 

Der Bodensee bietet da schon mehr an Ruhe und Frieden. Bei einem Spaziergang entlang des Ufers entdecke ich eine bunte Qualle an einem Betonpfeiler, ein improvisiertes Segelboot, aufgespießte Blätter und viele schöne Steine. Der Nebel verzieht sich um keinen Millimeter; im Gegenteil, er wird immer noch dichter und schließlich dunkel. Um das andere Ufer des Bodensees gut zu sehen, muss ich wohl ein anderes Mal wiederkommen. Bis bald, Bregenz! 

Aufgespießt

Kleiner Weihnachtsstern

Qualle auf Beton (2020)

Kleines Boot auf hoher See

Mach’s gut, Bodensee!

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