Im Zeichen von Föhre und Weinstock – kleine Wiener Weihnachtswanderung

von Stadtstreunerin | Eva

Was gehört unbedingt zu Weihnachten dazu? Der geschmückte Christbaum natürlich, der Dattelkuchen meiner Mutter, das Tauwetter – und neuerdings auch eine ausgedehnte Weihnachtswanderung! Dieses Jahr führten mich meine Wege vom Liesingbach über den Rodauner Zugberg und die Weinberge bei Mauer bis zum Hörndlwald in Hietzing.

Die Grabsteine des Liesingbachs

Mit dem 60er fuhr ich von der U4-Station in Hietzing bis zur Breitenfurter Brücke, die über den Liesingbach führt. Hier stieß ich bald auf die ehemaligen Grabsteine in der Uferverbauung, die vor zwei Jahren für einen kleinen Skandal gesorgt hatten, da man noch deutlich die Namen und Jahreszahlen auf den Steinen erkennen konnte. Über Jahrhunderte war es zwar üblich, Grabsteine in Gebäuden, Mauern oder Uferverbauungen wiederzuverwerten. Aber ausgerechnet hier am Liesingbach wurde diese Praxis plötzlich als pietätlos verpönt. In einer Hauruck-Aktion wurden die recycelten Steine abgeschliffen, sodass sie heute beinahe wie normale Ufersteine aussehen. Ehrlich gesagt, halte ich das würdelose Abschleifen der geschichtsträchtigen Steine für den eigentlichen Skandal!

Kurz nach dem Zusammenfluss der Dürren und der Reichen Liesing führte der Weg über eine Brücke und an einem kleinen Staubecken vorbei. Durch eine Allee spazierte ich Richtung Rodaun.

Auf dem Zugberg

Nach einigen Metern in der Ketzergasse bog der Weg nach links ab und führte hinauf zur Rodauner Bergkirche, in die man durch ein Gittertor hineinsehen konnte. Hier tat sich bereits der Blick über das weite Wiener Becken auf, aber ich hatte alle Mühe, nicht allzu sehr von der Sonne geblendet zu werden.

Durch eine Verkühlung war ich nicht allzu gut drauf und wollte die Steigung auf den Zugberg lieber vermeiden. Ich suchte nach einem Weg rund um den Zugberg, was zunächst mal eine wirklich gute Idee war. Denn so kam ich erstmals zur Mizzi-Langer-Wand und konnte die wohl beeindruckendste Felswand im Wiener Stadtgebiet bewundern. Vielleicht finde ich ja im Frühjahr meine alte Kletterausrüstung wieder…

Direkt unterhalb der Felswand saß ein Mann mit fast nacktem Oberkörper und ließ sich die Sonne auf den Bauch scheinen. So warm ist es doch gar nicht, dachte ich, aber dann führte der Weg ganz gegen meine Absichten plötzlich steil bergauf und schon bald war mir auch regelrecht heiß. Hustend und schwitzend erreichte ich den Kamm des Zugbergs. 

Den Zugberg habe ich erst vor Kurzem entdeckt, aber ich mag ihn dafür umso lieber – insbesondere wegen des einzigen ausgedehnten Föhrenwalds der Stadt, der sich auf seinem Rücken erstreckt. Die Schirme der Föhrenbäume geben ein Gefühl der Geborgenheit und lassen dabei genügend Licht durch, sodass kein Finsterwald entstehen kann.

Doch schon ging es durch die Föhren hindurch wieder bergab. Nach einem längeren Forstweg erreichte ich wieder den Liesingbach und fand an dessen Ufer das Kollegium Kalksburg vor. Jetzt, in den Weihnachtsferien, lag das riesige Grundstück völlig verlassen da. Ich wanderte weiter zur Kirche von Kalksburg und stieg dabei vom schattigen Graben wieder auf zur Sonnenseite. Hier ging es einige Zeit am Rande der Weingärten entlang, bis ich bei einem kleinen Friedhof landete. 

Winterlicher Weingarten

Hier machte der Weg eine Kehre und führte auf der anderen Seite des Friedhofs den Weinberg hinauf. Wunderschöne Ausblicke über die streng geometrisch angelegten Weinstöcke und das Wiener Becken bis zum Leithagebirge wechselten sich hier ab. Ich konnte bei dem Blick auf die Rodauner Bergkirche und den Zugberg meinen bisherigen Weg nachvollziehen – tatsächlich eine meiner Lieblingsbeschäftigungen beim Streunen!

Weihnachtsjause auf dem Georgenberg

Dann schlug ich mich durch ein kleines Waldstück und über einen verwilderten Parkplatz zum Georgenberg. Auf der öffentlich zugänglichen Sternwarte machte ich im Lichte der untergehenden Sonne eine Rast mit einer kleinen Jause, aber es war dann doch – Tauwetter hin oder her – zu kalt, als dass es wirklich gemütlich gewesen wäre.

Durch den Wald

Ich schlich mich an der Wotrubakirche vorbei, zu der gerade Menschen zum Krippenspiel strömten. Manche wünschten mir einsamen Streunerin frohe Weihnachten. Ich war fast ein bisschen perplex – so etwas bin ich von Wien doch gar nicht gewohnt! Ich zog es vor, wieder in den Wald zu ziehen. Hier entdeckte ich einen weiteren neuen Weg!

Ich war in meinem Element. Die Sonne blendete nicht mehr so wie zuvor, und mittlerweile hatten sich auch die letzten Reste so mancher düsterer Dezembergedanken verflüchtigt. Ich ging einfach immer weiter.

Noch mehr Weinberge

Nach einiger Zeit gelangte ich dann wieder in einen Weingarten, der nicht nur den südlichen Stadtrand überblickte, sondern gleich einen Ausblick über ganz Wien ermöglichte. Hier war schon öfters der Endpunkt einer kleinen Radtour gewesen, ab hier kannte ich mich wieder gut aus. 

Am Wegesrand lag ein Stapel abgeschnittener Weinstöcke. Ich suchte mir ein besonders schönes Exemplar heraus und zog, ab nun mit einem Weinstock in der Hand, weiter.

Weihnachtsbotschaften

Steil führte der Weg bergab Richtung Lainzer Tor. Ich betrachtete auf meinem Weg die Weihnachtsdekorationen der Häuser und Gärten und befand, dass man hier äußerst zurückhaltend war. Fast war ich ein bisschen enttäuscht angesichts des ausbleibenden Weihnachtskitsches. Dafür fand ich auf einem Haus gleich mehrere Friedensbotschaften und die eine oder andere Winterblüte.

Gute Nacht im Hörndlwald

Vorbei an einem kleinen Staubecken beim Lainzer Tor folgte ich eine Zeit lang einem kleinen Pfad neben einem Bach. Bei der nächsten Kreuzung wurde ich übermütig und beschloss, noch eine Runde durch den Hörndlwald anzuhängen, der bereits in der Dämmerung dalag. Ich schreckte eine Spechtfamilie auf, aber mein allergrößter Weihnachtswunsch – endlich mal wieder eine Eule zu sehen – erfüllte sich nicht. Nächstes Jahr vielleicht!

Am anderen Ende des Waldes gelangte ich auf eine Wiese, von der aus ich in der Weite Scharen von Saatkrähen beobachten konnte, die sich auf dem Weg zu ihren Nachtquartieren versammelten.

Und so wurde es auch für mich Zeit, in den nächsten Bus einzusteigen und mich nach Hause zu begeben, wo ein erleuchteter Tannenbaum und Dattelkuchen und Geschenke auf mich warteten… 


Wanderfazit

Weg: Liesingbach (60er Haltestelle Breitenfurter Straße) > Pfitznergasse > Ketzergasse > Bergkirche Rodaun > Mizzi-Langer-Wand > Zugberg > Promenadeweg > Mackgasse > Zemlinskygasse > Weinberge Mauer > Sterngarten > Wotrubakirche > Georgsgasse > Maurer Lange Gasse > Waldweg > Wittgensteinstraße > Modl-Toman-Gasse > Treumanngasse > Irene-Jerusalem-Weg > Lainzerbachstraße > Hörndlwald > Joseph-Lister-Gasse > Jagdschlossgasse (54A Haltestelle Ratmannsdorfgasse)

Strecke: 13,1 Kilometer

Zeit: 2 Stunden und 50 Minuten (reine Gehzeit)

Urteil: Gehen ist das eigentliche Geschenk!

Weiterlesen

2 Kommentare

Melli 14. Januar 2018 - 5:06

Liebe Eva,
wirklich wunderbar geschrieben, wie immer 😉 Da bekommt man richtig Lust, sich auf den Weg zu machen. Insbesondere mit schmerzenden Beinen von 5h Busfahrt…

Liebe Grüße und ein fröhliches Streunen!
Melli

Reply
Csandl Christian (xandi64) 14. Januar 2018 - 17:24

sehr schöne Bilder und auch Worte ..
lg. ein Bruder im Geiste .. 😉

Reply

Schreibe einen Kommentar

*