Celje, die drittgrößte Stadt Sloweniens

von Stadtstreunerin | Eva

Hände hoch, wer war schon einmal in Celje? Die Stadt, immerhin die drittgrößte in Slowenien, ist kein touristischer Hotspot – aber gerade deswegen interessant, vor allem für eine Stadtstreunerin wie mich. Mit dabei ist diesmal nicht nur Helmut, sondern auch seine 88-jährige Oma Erika. Zu ihrem Geburtstag im Jänner haben wir ihr einen Ausflug nach Celje versprochen; an einem warmen Frühlingstag ist es schließlich so weit.

Von Graz, wo Oma Erika zuhause ist, fahren wir zweieinhalb Stunden mit dem Zug nach Slowenien „umi“ – von der Steiermark in die Untersteiermark! Wir haben natürlich den besten Zug zu diesem besonderen Anlass ausgewählt: den EC 151 „Emona“ mit dem slowenischen Speisewagen, mit dem wir zuletzt im Winter unterwegs waren. Die Zeit bis Celje vergeht rasch mit Plaudereien bei frisch gebrühtem Kaffee. Oma Erika ist die fröhlichste und abenteuerlustigste 88-Jährige, die ich kenne, und erzählt von den vielen Reisen, die sie in der Vergangenheit unternommen hat. Aber keine davon hat sie bisher nach Celje geführt.

Die Welt auf Slowenisch

„Hier ist die Welt noch in Ordnung“, befindet Oma Erika, nachdem wir eine kleine Runde durch die Stadt spaziert sind. Das historische Zentrum ist größtenteils eine Fußgänger:innenzone, die an diesem Sonntag Vormittag noch recht verschlafen wirkt. In der Kathedrale finden wir Inschriften, die daran erinnern, dass Celje jahrhundertelang auch Cilli war: Wie viele Städte in Slowenien war Celje bis ins 20. Jahrhundert hinein von einer deutschsprachigen Mittel- und Oberschicht geprägt, während die Menschen in der ländlichen Umgebung Slowenisch gesprochen haben. Heute sind wir die einzigen, die sich hier po nemško unterhalten. 

Oma Erika kennt die sprachlichen, kulturellen und politischen Verschiebungen, die nationalistische Bestrebungen angerichtet haben, aus eigener Erfahrung: Sie ist in dem Südkärntner Dorf Rosenbach/Podrožca aufgewachsen und hat als Kind noch Slowenisch gesprochen, später nicht mehr. Gemeinsam nähern wir uns wieder der Sprache an und übersetzen die Aufschriften in den Kaffeehäusern der Stadt: „Odprto. Vabljeni. Nudimo kavo in čaj.“ Bei „Coffee to go“ gibt’s allerdings keine Erinnerungen an anno dazumal!

„Celje se pelje“ am Flussufer

Am Ufer der Savinja gönnen wir uns eine kleine Pause. Hier ist die Burg von Celje zu sehen, die vom Tal aus unscheinbar wirkt, fast wie eine Ruine. Während wir zwischen blühenden Tulpen und Gänseblümchen sitzen und in die Landschaft schauen, ziehen einige Leute mit dem Rad vorbei. Die Stadt lädt mit dem Motto „Celje se pelje / s kolesom“ (Celje fährt / mit dem Rad) dazu ein, (sich) auf das Rad zu setzen. Das reimt sich, und was sich reimt, ist gut, heißt es doch. Ein Stück heile Welt: „Das möchte man sehen, wenn man auf Reisen geht“, ist Oma Erika überzeugt. 



Celje scheint sehr inspirierend zu sein, wenn es ums Reisen geht: Die hier geborene Alma M. Karlin (1889-1950) war nicht nur Journalistin und Schriftstellerin, sondern vor allem eine frühe Weltreisende. Nach dem Ersten Weltkrieg hat sie auf eigene Faust den Globus umrundet, nur mit einer Schreibmaschine im Gepäck.
Eine Freundin hat mir mal ein Buch über ihre faszinierende Lebensgeschichte geschenkt, das ich noch immer nicht gelesen habe. Jetzt wird es Zeit – und wer weiß, welche Reisen ich nach der Lektüre ganz dringend unternehmen muss!

Die Burg von Celje

Die Überraschung des Tages ist dann die Burg von Celje: Hoch über der Stadt gelegen, bietet die Burg einen tollen Panoramablick auf die Altstadt und den Zusammenfluss von Savinja und Voglajna. Die gezackten Mauern fügen sich harmonisch in das hügelige Umland der Stadt ein. Während Helmut den Burgfried bezwingt und noch mehr Aussicht hat, sprechen Oma Erika und ich über das Leben, das einzelnen ein adeliges Dasein beschert – den berühmten Grafen von Celje zum Beispiel -, den meisten aber ein einfacheres. So wie uns. Aber wir sind zufrieden. Solange wir reisen können…

Reisen ist erneut ein gutes Stichwort: Nach der Burgbesichtigung wird es Zeit für den Weg zurück nach Hause. Die Wartezeit auf den verspäteten „Emona“ überbrücken wir kulinarisch mit Mandel-Kirsch-Törtchen aus der nahen Konditorei. Und im Speisewagen wartet wieder ein Kaffee auf uns. Besser kann es den Grafen von damals auch nicht gegangen sein!

Adijo Celje, do nasljednič!


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Jerneja Jezernik (2020): Alma M. Karlin. Mit Bubikopf und Schreibmaschine um die Welt. Drava Verlag

Ausflug nach Ljubljana 2017: https://stadtstreunen.at/ljubljena-ljubljana-ein-ausflug-in-die-gute-alte-zeit/ 

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2 Kommentare

Angelika Fischmann-Kern 9. Juli 2023 - 17:05

Deine Erzählung hat mir sehr gut gefallen und mir Lust auf Celje gemacht!

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Stadtstreunerin | Eva 9. Juli 2023 - 19:11

Danke, das freut mich 🙂

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