4.20, der Wecker läutet. Ich stehe auf, koche Kaffee, fülle ihn in einen Becher. Ich ziehe das Gewand an, das ich gestern Abend auf einen Sessel gelegt habe, binde die Schuhe zu, ziehe noch die Regenjacke über. Ich schleiche aus dem Haus, um die alte Nachbarin nebenan nicht zu wecken.
4.50, ich gehe steil bergauf. Zuerst ist es frisch, aber mit jedem Schritt wird es wärmer. Mir gehen viele Gedanken durch den Kopf, aber ich bin zu müde, um sie zu Ende zu denken. Kaum ein Licht brennt in den Häusern und Wohnungen, kein Auto ist unterwegs. Auf der anderen Straßenseite sehe ich einen Zeitungsausträger. Eine Fledermaus schwirrt herum.
5.15, ich erreiche die Wiese. Ein Tier starrt mich an. Ein Fuchs? Es kommt mir entgegen. Ich gehe zurück auf die Straße. Wie lange ist meine Tollwut-Impfung mittlerweile her? Ein Stückchen weiter erkenne ich, dass es ein Reh ist. Ich atme auf. Das Reh flüchtet nicht vor mir, sondern spaziert gemächlich davon. Sein weißes Hinterteil leuchtet im Wald.
5.20, ich gehe durch den Wald. Es ist finster und ich bin alleine. Sehr alleine. Wieder auf der Wiese, bestaune ich die rosa Lichtstimmung am Horizont. Die Gewitter in der Nacht sind abgezogen, übrig sind nur ein paar langgezogene Wolken und die nasse Wiese. Die Lichter in der Stadt werden nach und nach weniger.
5.30, ich komme oben auf der Wiese an. Ich suche den idealen Platz, um die Sonne beim Aufgehen zu beobachten, gehe auf und ab. Ich achte darauf, mich nicht auf eine der vielen Schnecken zu setzen, und doch kracht es irgendwann, als ich auf ein Schneckenhaus trete.
5.40, die Sonne geht auf. Ich bemerke einen Planungsfehler: Die Sonne geht so weit im Nordosten auf, dass ich sie von hier gar nicht sehen kann. Es dauert, bis die ersten Sonnenstrahlen die Stadt unter mir zum Leuchten bringen. Ich trinke den letzten Schluck Kaffee, er ist kalt.
6.00, ich stehe am Gipfel des Satzberges. Im Wald ist es still, aber das Rauschen der Westautobahn höre ich bis hier herauf. Ich trage mich ins Gipfelbuch ein. Dunkelgelb scheint die Sonne durch die Bäume.
6.20, ich beobachte eine Schnecke, die vom Licht erleuchtet wird. Die Wienerwaldhügel sind dampfig grün, der Horizont hellblau. In einem Garten plätschert ein Brunnen. Eine Frau geht mit ihrem Hund spazieren, wir wünschen einander einen guten Morgen.
6.45, ich gehe auf der Straße hinunter, um den gatschigen Weg auf der Wiese zu vermeiden. Ich bin hungrig und freue mich auf zuhause. Die Stadt erwacht langsam, ich dagegen will mich so bald wie möglich wieder hinlegen.
7.20, ich komme zuhause an. Kaum zu glauben, dass ich zweieinhalb Stunden unterwegs war! Ich gehe kurz duschen, mache mir ein Frühstück und bewundere die Fotos. Der Übergang zwischen Nacht und Tag ist kurz und doch voller Nuancen und Farben. Ein großes kleines Wunder, Tag für Tag.