Strahlender Sonnenschein, der Geruch nach auftauender Erde und erste Bärlauchspitzen – mittlerweile ist es kaum vorstellbar, dass noch vor wenigen Tagen sibirische Kälte alles zum Klirren brachte. Das Winterspektakel der gefrorenen Gewässer ist mit den ersten Plusgraden so schnell vorbei, wie es gekommen ist. Schade eigentlich! Denn auch wenn die meisten von uns seit Wochen ungeduldig auf die wärmere Jahreszeit warten- das Eislaufen auf der Alten Donau hat schon seinen ganz eigenen Reiz.
Vom Freiraum am Eis
Und das nicht nur wegen der fantasievollen Muster, die das Eis unter den Kufen der Schlittschuhe bildet. Auch das, was die Menschen mit der temporären Antarktis anstellen, ist faszinierend: Einige messen sich im Eisstockschießen, jagen einem schwarzen Puck nach oder warten stundenlang auf das eine perfekte Foto von der Schwanenherde. Manche führen ihren Hund spazieren, plaudern mit den Nachbar*innen oder schleifen ihre Kinder per Schlitten-Express von Kagran nach Floridsdorf. Und andere wagen sich überhaupt mit dem Fahrrad auf das Eis oder üben sich im Eis-Steptanz. Nicht umsonst wird der immense Freiraum auf den Wiener Gewässern mit einem der klassischen Winterbilder von Pieter Bruegel dem Älteren verglichen.
Mit Flügeln am Eis
Während die Menschen ihren persönlichen Freiraum gestalten können, müssen sich die Wiener Wasservögel mit der dicken Eisschicht auf ihrem Lebensraum arrangieren. Am besten klappt das in den Wasserlöchern, die sich da und dort auftun und um die man, wenn man keine Flügel hat, besser einen ganz, ganz großen Bogen macht. Watscheln die Schwäne der Reihe nach zum Wasserloch, kommen sie ganz schön ins Rutschen. Eislaufen für alle – auch für Wasservögel!
Tropfen um Tropfen
Nur zwei Tage später ist von dem unbändigen Winterleben nicht mehr viel zu sehen. Inzwischen hat das Tauwetter eingesetzt und macht sich daran, die Eisflächen aufzulösen. Ich wage mich trotzdem aufs Eis – so ein paar Plusgrade können doch der dicken Eisschicht nicht gleich schaden! Und tatsächlich trägt mich das Eis noch ein letztes Mal. Fast ganz alleine durchkreuze ich die weiße Flur.
Wehmütig werfe ich am Heimweg, als es schon dunkel wird, einen letzten Blick darauf. Baba, du wunderschöner, eisig kalter Freiraum – bis hoffentlich nächstes Jahr!