Mailand in 4, 3, 2, 1…
Es quietscht. Der Zug bremst und bleibt schließlich stehen. Wir sind in Mailand angekommen, in Milano Porta Garibaldi, einem Bahnhof mit düsterer Atmosphäre und zugewucherten Gleisen. „Mailand ist mehr eine europäische Metropole als eine italienische Stadt“, hat ein Freund vor der Abreise gemeint. Was das bedeutet, erfahren wir, sobald wir auf den Vorplatz des Bahnhofs treten: keine Bar, kein Kaffee, kein sympathisches Stimmengewirr. Dafür blenden uns die gläsernen Fassaden der Hochhäuser rundherum, in dem unebenen Boden haben sich Pfützen nach dem nächtlichen Regen gebildet, überall liegt Müll. Eine europäische Metropole, soso.
Es rumpelt. Eine Straßenbahn fährt vorbei. Wie völlig aus der Zeit gefallen, sind in Mailand noch Garnituren unterwegs, die anderswo längst in einem Museum stehen. Seit über 100 Jahren prägen die historischen Straßenbahnen mit ihrer schönen gelben Farbe das Stadtbild von Mailand und ruckeln unermüdlich über die holprigen Straßen. Nicht wenige Straßenbahnen sind mittlerweile zu fahrenden Werbeplakaten geworden. Aber sie haben den Krieg überstanden, sie werden wohl auch den Kapitalismus überstehen… Und hoffentlich werden sie auch dann noch die Straßen von Mailand durchkreuzen, wenn die Stadt nicht mehr so autodominiert wie derzeit ist. Überall fahren Autos, überall parken Autos. Wäre es möglich, würden sie sicherlich auch übereinander gestapelt parken!
Es kostet. Im Zentrum von Mailand geht es dann schon deutlich metropolhafter zu. Architektur, Mode, Design, das zieht Millionen von Menschen aus der ganzen Welt in die norditalienische Stadt. Das Preisniveau ist entsprechend hoch, das berühmte Risotto alla milanese, eine gelbe Reisschale, schlägt ordentlich zu Buche. Spezielle Führungen bringen Touris um schlappe 40 Euro zu den schönsten Geschäften der Stadt, wo sie bei Prada, Gucci und Co. noch mehr Geld liegen lassen können. Wir lassen dieses Angebot mit Vergnügen aus und schlängeln uns lieber durch die Mengen. Es ist so viel los, dass wir kaum durchkommen. War nicht gerade erst eine Pandemie?
Es lebt. Zwischen dem Castello Sforzesco und dem berühmten Duomo di Milano geht die Stadt beinahe über vor Menschen. Alle wollen nach Mailand, alle wollen was erleben! So auch wir, wir schauen uns erst den Dom von innen an und dann von oben. Sehr beeindruckend, was Menschen in den letzten Jahrhunderten geschaffen haben – Baubeginn war 1386, vor mehr als 700 Jahren. Was mich ebenfalls beeindruckt: wie entspannt die Leute darauf herumschlendern und sich umschauen. Mir ist das hier alles zu hoch, zu eng, zu schief. Die tausenden steinernen Figuren, Heilige ebenso wie Monster, schauen mich skeptisch an. Ich bin sehr erleichtert, als ich wieder den schwarz-weißen Boden des Domplatzes unter den Füßen spüre.
Es inspiriert. Zum Abschluss unseres Mailand-Wochenendes schauen wir uns noch Kunst an: zuerst am Kunstmarkt beim Naviglio Grande-Kanal, dann im Museum der Triennale. Zugegeben: Im Museum ist die Kunst etwas kunstvoller, zum Schauen gibt es da wie dort aber genug. Besonders gut gefällt mir ein Sofa in der Form eines Sonnenuntergangs, das im Museum ausgestellt ist. Schade, dass sich solche Design-Perlen nicht in den Schaufenstern von Mailand wiederfinden. Dafür würde ich vielleicht sogar freiwillig an einer organisierten Shoppingtour teilnehmen…
Addio Milano, a presto!
Tipps
Das Museum der Triennale ist einen Besuch wert – ruhig, kühl und interessant: https://triennale.org/
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Einige weitere Eindrücke dieser Reise findest du auf Twitter unter #MailandMai.
Reiselektüre
Im Zug lese ich den Debütroman der slowakisch-österreichischen Autorin Susanne Gregor, „Kein eigener Ort“. Ein schneller, bedrückender Roman, in dem die Protagonistin Ina mehrere Male mit einem Zug fährt. Wie passend!
Reisedaten
Freitag, 6. Mai 2022
Wien Hbf ab 19:23
Milano Porta Garibaldi an 8:10
Sonntag, 8. Mai 2022
Milano Porta Garibaldi ab 21:10
Salzburg Hbf an 06:49
1 Kommentare
Da seit ihr am „falschen“ Bahnhof angekommen, Milano Centrale ist genau das Gegenteil: riesig (fast unüberschaubar )und exhorbitant belebt – überall Menschenmassen.Und die von Dir beschriebene Shoppinglust kann auch hier schon exzessiv ausgelebt werden. Wahnsinniger Protzbahnhof, erbaut von den italininischen Faschisten iim Jahre 1931. Den Bahnhof muss man schon mal gesehen haben, ich bin ja echt Vielbahnfahrer und kenne ja einiges – und trotzdem fand ich den ganz schön krass….
Mailsnd steht bei mir für dieses Jahr noch am Plan, auch wenn ich so mit Shopping und Schikimiki-Mode so gar nichts anfangen kann. Aber einmal muss man schon dagewesen sein. Jetzt fragst du Dich, warum ich den Bahnhof kenne, obwohl ich Milano nach gar nicht besucht hatte: Einfach vom Umsteigen 😉