Auf Pilgerpfaden durch den Wald – eine Wanderung von Wien nach Heiligenkreuz

von Stadtstreunerin | Eva

An einem windigen Herbsttag brachen mein Kollege Alex und ich auf, um Mariazell ein Stück entgegenzugehen. Damit wollte ich einerseits an mein großes Sommerprojekt – mit dem Rad von Mariazell nach Wien – anknüpfen. Andererseits hatte Alex kurz davor seine Masterarbeit zum Thema „Erfahrungen beim Pilgern“ eingereicht und ich war mehr als neugierig, mich mit einem Experten auf den Weg zu machen. Und wie gut, dass mit der Via Sacra ein traditionsreicher Pilgerweg fast direkt von der Haustür weg Richtung Mariazell führt! Am Ende der ersten Tagesetappe liegt das Zisterzienserkloster Heiligenkreuz im Wienerwald, ein gutes Ziel für eine ausgedehnte Wanderung. 

Kaffee in Perchtoldsdorf

In Hietzing nahmen wir die Straßenbahnlinie Nummer 60 und fuhren bis zur Endstation nach Rodaun. Angesichts des kalten Windes beschlossen wir, es langsam anzugehen und kehrten im Stadtzentrum von Perchtoldsdorf gleich mal auf einen Kaffee ein. Milchkaffee aus großen Tassen trinken gehört zum Pilgern dazu, meinte Alex – zumindest auf dem Jakobsweg, aber auch auf der Via Sacra kann das nicht schaden. 

Unter Glockenläuten auf dem Weg

Bevor es dann aber wirklich ernst wurde, statteten wir noch der mächtigen Kirche in Perchtoldsdorf einen Besuch ab. Die Föhren am Kirchenvorplatz stimmten uns auf den Wald ein, auf den bunten Kirchenfenstern fanden wir eine Eule und im Kirchenschiff hingen Huldigungen an den lokalen Weinbau.

Die Kirche ist symbolisch ganz eng mit dem Ort verbunden, das gefiel uns. Als wir dann genug Mut beisammen hatten, um unsere Wanderung wirklich anzugehen, begannen die Kirchenglocken zu läuten. Wie bei den echten Pilgern! Das Geläute begleitete uns eine ganze Weile, als wir durch einen von dichten Föhren bewachsenen Park spazierten. Vorbei an der Siebzehn-Föhren-Gasse ging es dann stetig bergauf. Bald waren wir im Wald und wunderten uns, wo eigentlich die Perchtoldsdorfer Heide geblieben war…

Der Abstecher in das Stadtzentrum hatte uns von der Via Sacra und damit auch von der besonderen Heidelandschaft abgetragen. Aber Alex freute sich über den neu entdeckten Weg: „Jeder Weg nach Mariazell ist ein bisschen anders!“ 

Auf dem Hinteren Föhrenberg

Im Wald wurde es bald ganz still. Plötzlich brach ein Ritter mit einer Astlanze durch die Blätterwände und schon fanden wir uns in Verteidigungshaltung wieder. Aber dann pfiff der Rittervater seinen ehrgeizigen Buben zurück und wir konnten gemütlich weitergehen. Vorsichtshalber mieden wir die Teufelsteinhütte und stiegen weiter auf zur Kammersteinerhütte. 

Hier, auf dem windumtosten Hinteren Föhrenberg, steht eine Warte, die Ausblicke über die Hügel des Wienerwaldes und bis zu den Hochhäusern Wiens erlaubt. Alex kämpfte sich durch die Windböen bis nach oben, während ich lieber die Hütte inspizierte. Ein Blick in ihr Inneres zeigte einen dunklen, länglichen Innenraum mit aufgereihten Tischen und einem Kamin dazwischen. Auf jedem Tisch flackerte das Licht einer Kerze. Hinten, im Schankbereich, lag ein großer schwarzer Hund auf dem Boden und hielt Wache. Wir konnten der Szenerie nicht widerstehen und legten eine Pause ein.

In den Graben

Danach führte uns der Weg wieder bergab und hinunter zur Kugelwiese. Hier fanden wir ein Gasthaus mit dem lustigen Namen Zum Salzstanglwirt. Diesmal gingen wir tapfer vorbei! Die nächste Station wäre eigentlich die Seewiese mit einem weiteren Gasthaus gewesen, aber nach einer längeren Strecke bergab bemerkten wir, dass da nirgendwo eine Wiese zu sehen war. 

Stattdessen fanden wir Schlingpflanzen und Felsbrocken und ein totes Reh und bald landeten wir in einer verstreuten Ortschaft namens Wassergspreng. Damit hatten wir auch die Gewissheit, dass wir uns verlaufen hatten. Na ja! Jeder Weg nach Mariazell ist ein bisschen anders, oder so 😉

Unheimliche Begegnung

Nach Wassergspreng ging es recht steil bergauf. Der Umweg kostete uns nur ein paar Kilometer, aber viel Kraft! Hier, rund um den Höllenstein, fanden wir keine Föhren mehr vor; längst waren wir in einen bunten Herbstwald eingetaucht. 

Uns begegneten zwei Frauen, die auf Pferden durch den Wald ritten und uns freundlich grüßten. Nach einer kurzen Rast auf einer Bank kamen sie uns wieder entgegen und grüßten uns erneut. Dann, mitten im Wald, kamen sie uns zum dritten Mal entgegen! Wir fragten uns, ob uns der Höllenstein vielleicht in einer Zeitschleife gefangen hielt.

Aber dann kamen wir doch an der Burg Wildegg vorbei und landeten kurz danach in der nächsten Ortschaft, Sittendorf. Der Schnitzelwirt des Ortes hat leider schon lange geschlossen. Stattdessen machten wir eine kurze Rast bei der Sittendorfer Kirche mit ihrem ungewöhnlichen siebeneckigen Turm. 

Schritt für Schritt

Längst befanden wir uns im Walker’s High, das uns die schmerzenden Füße nicht mehr spüren ließ. Die Sonne kam ein wenig heraus und wir verließen übermütig den Weg der Via Sacra, um in einem Obstbaumhain saure Äpfel zu stehlen. (Das gehört auch unbedingt zum Pilgern dazu!)

Das Ziel Heiligenkreuz war jetzt nur noch ein paar Steinwürfe entfernt. Schon bald hörten wir den Lärm der Wiener Außenringautobahn durch den Wald. Umso intensiver waren die letzten paar Natureindrücke – die pinken Pfaffenhütchen, die schwarzen Tintlinge, der frische Wind und der herbe, herbstliche Geruch. 

In Heiligenkreuz

Dann brachte uns eine Unterführung auf die andere Seite der Autobahn, wo wir den Heiligenkreuzer Friedhof mit dem berühmten Grab der Mary Freiin von Vetsera, der Geliebten von Kronprinz Rudolf, besuchten. Und beinahe hätten wir danach unser Ziel verfehlt, weil wir von Damhirschen abgelenkt wurden, die sich trotz ihrer Schreckhaftigkeit gerne von uns mit Kastanien füttern ließen.

Der Weg führte uns weiter durch einen barocken Kreuzweg direkt hin zum Kloster Heiligenkreuz. Da waren wir nun, sehr viele Stunden nach Beginn unserer Wanderung!

Wir nahmen uns natürlich Zeit, das Kloster zu besichtigen. Es wurde vor beinahe 900 Jahren gegründet und ist heute eines der ältesten durchgehend bestehenden Klöster! Von Heiligenkreuz aus wurden zahlreiche weitere Klöster und Stifte gegründet, unter anderen auch das Kloster in Lilienfeld. Und heute befindet sich hier mit der philosophisch-theologischen Hochschule eine der größten Priesterausbildungsstätten im deutschsprachigen Raum.

Ein Besuch in der Klosterschenke war auch noch drinnen, bevor es mit dem Bus zurück nach Mödling und dann mit dem Zug nach Wien Meidling ging. Am Heimweg redeten wir groß davon, wie gerne wir am liebsten einfach immer weitergehen würden. Am nächsten Tag jedoch, in Wien, hatte ich alle Mühe, auch nur aus dem Bett aufzustehen!


Wanderfazit

Weg: Schillerpromenade (60er Haltestelle Rodaun) > Donauwörther Straße > Hochstraße > Marktplatz > Kirche Perchtoldsdorf > Hyrtlgasse > Begrischpark > Hyrtlallee > Kammersteinerhütte > Kugelwiese > Wassergspreng > Burg Wildegg > Sittendorf > Füllenberg > Kloster Heiligenkreuz

Strecke: 20 Kilometer

Zeit: Deutlich mehr als gedacht 😉

Urteil: Den Mutigen gehört die Welt!


Zum Weiterlesen

Die spektakuläre Geschichte der Grabstätte von Mary Vetsera lässt sich hier erkunden. 

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