Genua, Stadt aus Licht und Schatten

von Stadtstreunerin | Eva

Genau, Genua! Wenn ich am Handy den Namen der italienischen Hafenstadt tippe, verschreibe ich mich häufig und aus Genua wird „Genau“. Ein Tastatur-Zufall, der dazu beiträgt, dass ich mich in Genua genau richtig fühle. Zumindest an diesem frühlingshaften Samstag Morgen, als wir aus dem Nachtzug am Bahnhof Genova Piazza Principe aussteigen: Nach dem langen Winter habe ich schon beinahe vergessen, wie angenehm die ersten warmen Sonnenstrahlen des Jahres sind.

Das Bahnsteigsdach

Hört, es ist Frühling!

Alle winterlichen Schatten lasse ich auf dem Bahnsteig unter dem schön verzierten dunkelgrünen Dach zurück. Wie lang es kalt war, dunkel und eng! Die Sonne weitet unseren Blick: Von einem der zahlreichen Hausberge, dem Righi, sehen wir weit über das Mittelmeer. Dazu müssen wir uns nicht einmal groß anstrengen: Eine etwas in die Jahre gekommene, sympathische Standseilbahn ermöglicht es uns, die Stadt vertikal zu erkunden. Sie ist nicht die einzige; das hügelige Hinterland der Stadt ist mit mehreren Standseilbahnen und Liften erschlossen. So können wir den Gebirgszug des Apennin, der unweit von Genua beginnt und sich über 1.500 Kilometer bis weit in den Süden Italiens zieht, selbst mit nur wenig Zeit erfahren. 

In der Standseilbahn lässt es sich gut sitzen

Blick auf die Stadt

Noch mehr Licht…

…und blauer Himmel

Genua, mit seiner Lage zwischen Meer und Bergen, verströmt den Zauber des Mediterranen, der im Frühling besonders stark wirkt: Insekten summen, die ersten Blüten duften, ein paar Eidechsen genießen die Wärme auf einer Steinmauer. Seine Fortsetzung finden wir in den kleinen Trattorien und Bäckereien, in denen örtliche Spezialitäten angeboten werden: allen voran das berühmte Pesto alla Genovese, das viel besser schmeckt als zuhause. Liegt es an diesem intensiven Licht, das alles durchdringt und bereichert? 

Das Licht genießen

Endlich Frühling!

Selbst in der Nacht gibt es hier etwas zu sehen, wie das kleine Observatorium auf dem Righi nahelegt. Das Gebäude mit den zwei Kuppeln interpretiere ich als architektonische Annäherung an die Länder, die jenseits des Meeres liegen. Ach, Tunesien mit seinen schönen Kuppeln! Bevor aber abends die Fähre in den Süden ablegt, spazieren wir noch hinunter in die Altstadt und verirren uns lustvoll in ihrem weitläufigen Labyrinth. Die Altstadt von Genua ist eine der größten in Europa und von einer harmonischen Einheit in Farbe und Form, wie es sie nur in Italien gibt.

Sternwarte am Righi

Schattenwurf

Unterwegs in der Altstadt

Der Hauptplatz Genuas: Piazza de Ferrari

Eine Stadt der Kontraste 

Wo vorher so viel Licht war, tauchen wir jetzt ein in die Schatten dieser Stadt, die durch die hohen Häuser entstehen. Hier ist es kühl, mitunter fast schummrig, die engen Gassen wirken wie schmale Spalten zwischen den Gebäuden. Darin findet das Leben statt: Wäsche trocknet hoch über unseren Köpfen, der Motor eines Mopeds wird angeworfen, Männer rufen sich ein paar raue Worte zu. Zwei Frauen warten auf jemanden, vielleicht auf einen Freier.

Bevor Genua im Jahr 2004 zur Kulturhauptstadt und zwei Jahre später zum UNESCO-Weltkulturerbe wurde, hatte die Stadt mit sozialen Problemen und Kriminalität zu kämpfen. Seitdem hat sich viel zum Positiven verändert, die Stadt hat aber ihre schattigen Seiten behalten. Eine Stadt der Kontraste! 

Vasen und Schattenvasen

Mehr Schatten als Moped

Eine Gasse als Spalt

Enger Himmel

Ein paar Meter weiter befindet sich das kleine Lokal Chez Abdul, es ist mit einem Kamel geschmückt und wirbt mit Couscous-Gerichten um Kundschaft. Wir kehren aber erst auf einen Kaffee in die Bar L’Oasi ein. Die Wüste ist nahe hier, näher als in den meisten anderen europäischen Großstädten, und die Welt auch: Von hier aus hat Columbus seine langen Reisen nach „Indien“ angetreten. Dem Entdecker ist gleich neben dem Bahnhof ein Denkmal gewidmet, pathetisch gezeichnet mit „La Patria“ – die Heimat!

Zum Kamel und zur Tagine

Die Straße zum Hafen

Am Weg zum Fährterminal

Genua ist, auch wenn sie nicht unsere Heimatstadt ist, der ideale Ausgangspunkt für Entdeckungen aller Art: in der Stadt selbst oder in der großen weiten Welt. Auch heute noch, wo Fähren längst ihre geregelten Bahnen in den Süden ziehen und alles durchgetaktet scheint, verspricht uns Genua das große Abenteuer, mit Licht, mit Schatten, mit allem, was zum Leben dazugehört. Ganz genau: Wir steigen abends in die Fähre nach Tunis ein und erwarten aufgeregt, was sich uns auf der anderen Seite des Mittelmeers bieten wird.

Bis bald, Afrika! A presto, Genova!

Los geht’s!


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Wer darauf achtet, kann in Genua den genuesischen Dialekt – Zeneize – hören oder lesen. In den U-Bahn-Stationen sind manche Hinweise auf Genuesisch verfasst. Außerdem finde ich eine Ausgabe des „Kleinen Prinzen“ von Antoine de Saint-Exupéry in der genuesischen Übersetzung („O Prinçipìn“).

Toù chi o mæ segrétto. O l’é scimplicìscimo: o no se védde ben che co-o cheu. L’ezençiale o l’è invixìbile a-i oeggi.

Na, wer versteht’s?

Eine Kostprobe Genuesisch


Tipps

In Genua befindet sich das größte Aquarium Europas, für das wir leider keine Zeit hatten. Beim nächsten Mal dann! https://www.acquariodigenova.it/en/

Von Genua legen nicht nur Fähren nach Tunis ab, sondern auch nach Korsika, Sardinien, Sizilien, Spanien, Marokko und Algerien: https://www.aferry.com/de-at/genoa/ 

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