Die tschechische Hauptstadt ist ein touristischer Hotspot sondergleichen und liegt ja quasi ums Eck von Wien. Trotzdem war ich erst einmal in Prag! Eine Freundschaft zwischen München und Wien war der Anlass, das endlich zu ändern: Thomas und ich beschlossen, uns zur Abwechslung mal in der Mitte zu treffen. Also auf nach Prag!
Verstörungen im Prager Nachtleben
Kurz nach unserer Ankunft am Freitag Abend zogen wir los, um die nächtliche Stadt zu erkunden. Etwas irritiert waren wir, als wir die sonst so lebendigen Straßen der Innenstadt schon gegen Mitternacht ziemlich verlassen vorfanden. Dafür stießen wir auf erstaunlich gute Pizzaecken und spazierten unter einem Himmel voller Sterne über die Karlsbrücke.
Während Straßenkehrer die Stadt sauber machten, kehrten wir in eine Bar mit gusseisernen Lustern ein. In einem Winkel stand ein Klavier, auf dem ein paar talentierte Tschechen einen Song nach dem anderen spielten und laut dazu sangen. Plötzlich zog sich ein Mädchen die Hose und die Unterwäsche aus. Ihre Freunde waren aber nicht gerade begeistert von der Showeinlage und zogen ihr die Hose schnell wieder hinauf.
Erkundungen untertags
Am nächsten Morgen begab ich mich recht verkatert auf die Suche nach den Details der Stadt. Von unserem Hotel stolperte ich zunächst durch einen Park und fand dann im Strahov-Kloster Leute vor, die sich frisch gestopfte Würste gönnten und Bier dazu tranken. Dazu spielte ein Mann auf einer Ziehharmonika. Party am Vormittag, uff!
Ich flüchtete, so schnell ich das in meinem Zustand schaffte, und ging dann in langsamen Schleifen zur Moldau hinunter. Am Fluss fand ich viele Wasservögel vor und ein Plakat, auf dem um Futter für die Schwäne gebeten wurde. Originaltext: „Homo Sapiens, deine weltweite Expansion nimmt uns den Platz zum Leben. Wir können nicht mehr von der Natur erhalten werden, wir müssen uns auf euch verlassen.“ Unterzeichnet: „Vaše labutě – eure Schwäne“. Herzzerreißend – und doch fragwürdig!
Auf der Karlsbrücke
An der Karlsbrücke kommt man ja wirklich nicht vorbei in Prag. Ob man drüber kommt, ist aber eine andere Frage!
Ruheplätze haben hier Seltenheitswert. Ich drückte mich – ganz auf fancy Touristin mit einem Café Latte in der Hand – an Souvenirständen und Karikaturenmalern vorbei, hörte einen Straßenmusiker die „Moldau“ von Smetana spielen und fand in all dem Trubel ein Kreuz mit hebräischer Inschrift. Irritiert blieb ich stehen. Was es damit wohl auf sich hat?
Ich fand heraus, dass ein Jude namens Elias Backofen im Jahr 1696 das Kreuz geschmäht haben soll. Vor Gericht wurde er zu einer Bußgeldzahlung veranlasst, mit der dann die hebräische Inschrift („Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen“) finanziert wurde. Diese urbane Legende lebte bis in die 1990er Jahre fort, bis ein Forscher aufdeckte, dass Herr Backofen zu Unrecht verleumdet und verurteilt wurde – weil er ein Jude war. Ein Denkmal des Antisemitismus also, das heute mit erklärenden Aufschriften kontextualisiert wird.
Tschechisch Lernen leicht gemacht!
Jedes Mal, wenn ich in Tschechien bin, wird mir die tschechische Sprache noch eine Spur vertrauter. Leider verstehe ich trotzdem nicht sehr viel davon! Zum Glück machen es die Tschech*innen aber leicht, ihre Sprache zu lernen: Viele Häuser in der Innenstadt haben einen eigenen Namen, der durch Symbole über der Eingangstüre illustriert wird.
Ein Beispiel ist das Haus u tří housliček – ein schneller Blick ins Wörterbuch zeigt: housle heißt ‚Geige‘ und -ček ist natürlich die Verkleinerungsform, also heißt das Haus „Zu den drei kleinen Geigen“. Ha!
Neben Geigen gab es goldene Löwen, steinerne Pelikane, allerhand pompöse Hirsche und Hummer. Mein Favorit war aber eine weiße Rübe, die sich in ihrer Schlichtheit angenehm von den anderen Hauszeichen absetzte.
Wenn man sehr aufmerksam durch Prag streunt, findet man sogar den einen oder anderen Hinweis auf die historische Zweisprachigkeit der Stadt. Auch hier kann man lernen: Kříž heißt auf Tschechisch ‚Kreuz‘. So einfach ist das!
Zwischen den Friedhöfen
Nach einem ersten Streifzug durch die Innenstadt war ich bereits richtig erschöpft von den Menschenmengen. Prag ist so fürchterlich überlaufen! Ich habe das Gefühl, dass die Innenstadt dem Massentourismus regelrecht geopfert wird – überall gibt es Souvenirgeschäfte und Restaurants, aber kaum sinnvolle Infrastruktur für die Einheimischen.
Zur Erholung setzte ich mich in eine Straßenbahn und fuhr einfach irgendwohin. Der Zufall brachte mich in den Stadtteil Žižkov: Bald fand ich mich zwischen zwei riesigen Friedhöfen wieder. Ein Teil davon war der neue jüdische Friedhof der Stadt, der leider geschlossen war. Von außen konnte ich erspähen, dass kaum ein Grabstein auf Tschechisch beschriftet war – nur auf Deutsch und Hebräisch.
Im jüdischen Viertel
Ebenfalls mit der Straßenbahn fuhr ich wieder zurück in die Innenstadt und traf dort Thomas. Wir suchten zunächst eine Apotheke und wurden im Einkaufszentrum Palladium fündig. Dort beantwortete sich auch die Frage, wo eigentlich die Einheimischen ihre Zeit verbringen!
Einem Mittagessen in einem Lokal mit sehr guter böhmischer Küche folgte ein kleiner Spaziergang durch das jüdische Viertel. Die Innenstadt ist so verschachtelt, dass wir Mühe hatten, uns zurechtzufinden! So zogen wir in immer engeren Kreisen um die Häuserblöcke, bis wir endlich die schönen Synagogen, die Rathausuhr mit hebräischem Ziffernblatt und den alten jüdischen Friedhof gefunden hatten.
Eine weitere Nacht in Prag
An unserem zweiten Abend in Prag wollte ich nichts dem Zufall überlassen und machte mich vorab schlau, welche Lokale denn empfehlenswert sind. Schnell stieß ich auf den Cross Club in der Vorstadt Holešovice. Die recht lange Anreise mit der Straßenbahn lohnte sich wirklich! Wir waren auf Anhieb begeistert. So viele Ebenen, so viele Kunstwerke, und alles drehte und bewegte sich! Es war großartig.
Erkundungen in der Vorstadt
Am Sonntag Vormittag erkundete ich zuerst die Umgebung rund um unser Hotel und fand inmitten des Vorstadtcharmes ein Kloster mit einem hübschen Garten und (natürlich!) einem Klášterní šenk – einer Klosterschenke. Später fuhren wir gemeinsam mit Thomas‘ Auto zu einem Stausee im Stadtteil Hostivař und gingen dort eine Runde spazieren. Binnen weniger Minuten klarte der Himmel auf und wir fanden uns im schönsten Vorfrühling wieder. Das Eis auf dem See schmolz vor unseren Augen dahin.
Baba, Prag!
Dann verabschiedete sich Thomas und fuhr zurück Richtung München. Ich wollte ebenfalls den Heimweg antreten, hatte aber ein unerwartetes Problem: Am Hauptbahnhof war man unfähig, mir eine Fahrkarte für den Zug um 17 Uhr zu verkaufen. Da ich in Břeclav hätte umsteigen müssen, erklärte sich die Mitarbeiterin am internationalen Schalter für nicht zuständig. Am Schalter für Verbindungen innerhalb Tschechiens wurde mir hingegen gesagt, ich könne hier keine Fahrkarte nach Wien kaufen. Na gut. Ich war gar nicht böse und nutzte die Zeit bis zum nächsten Direktzug um 19 Uhr für eine kurze Runde in der Stadt. Noch einmal gab ich mich dem Geruch von frischem Baumkuchen hin, der über der Innenstadt waberte. Hmm!
So gut, dieses Prag! Bis bald!
Prag zum Nachhören
Das Stück „Die Moldau (Vltava)“ von Bedřich Smetana zeichnet den Verlauf des Flusses von der Quelle bis nach Prag nach.
1 Kommentare
Liebe Eva,
wieder mal ein wunderbarer Beitrag mit tollen Fotos. Am besten taugt mir das küssende Paar. Macht richtig Lust auf einen baldigen Ausflug nach Prag! Muss das wohl auch bald antreten 🙂
Liebe Grüße, Melli