Am Rückweg meiner Reise von Wien nach Umeå habe ich einen Zwischenstopp in Danzig eingelegt: ohne besonderen Hintergedanken, einfach nur, weil es notwendig war, irgendwo eine Nacht zu verbringen. Natürlich hatte ich schon von der Stadt an der polnischen Ostseeküste gehört, ich wollte vor Jahren auch mal hinfahren, aber immer kam etwas dazwischen. Bis ich kaum noch daran dachte.
Umso mehr überwältigt mich Danzig: Die Schönheit der Stadt, ihr Stolz, ihre Kraft sind auch bei einem kurzen Besuch schon beeindruckend. Alleine die hochaufragenden Häuser in der Innenstadt mit ihren zahlreichen Details, ihren Fassadenbemalungen, ihren Regenrinnen! Die gewaltige Kathedrale! Der strahlend blaue Himmel! Ich komme aus dem Staunen kaum mehr heraus.
Hier muss ich als Stadtstreunerin auf Durchreise schon genauer hinsehen, um hinter der märchenhaften Kulisse Hinweise auf die turbulente, teils auch sehr tragische Geschichte von Danzig zu erkennen. Die ehemalige Hansestadt – seit jeher ein Umschlagplatz für Waren, Menschen und Ideen – hat in den 1980er Jahren durch die Widerstandsbewegung der Gewerkschaft Solidarność weltpolitische Bedeutung erlangt. Der Streik in der Danziger Schiffswerft hat maßgeblich dazu beigetragen, die kommunistischen Machthaber zu stürzen und eine neue Gesellschaftsordnung in Europa zu etablieren.
Obwohl ich keine Zeit für das Solidarność-Museum habe (beim nächsten Mal dann!), erkenne ich die Spuren, die diese Entwicklungen in Danzig hinterlassen haben: Wohin ich auch schaue, sehe ich ukrainische Flaggen, Spendensammlungen und Anlaufstellen für Geflüchtete. Der Krieg in der Ukraine ist nicht weit weg, die Erinnerungen an die eigene Unterdrückung sind noch frisch; hier wird tatkräftig geholfen und angepackt.
Die Umstürze der jüngeren Zeit sind aber nicht das Einzige, das Danzig geprägt hat. Im Zweiten Weltkrieg hat das Deutsche Reich die Stadt annektiert und ihre Bevölkerung großteils vertrieben oder ermordet. Zahlreiche Bomben sind auf die Stadt gefallen; bis 1945 wurde fast die ganze Innenstadt zerstört, ausgebrannt und geplündert. Die Menschen haben die Trümmer aber beseitigt, die Gebäude wieder aufgebaut. Die pastellfarbenen Fassaden sprechen für sich: Danzig lässt sich nicht unterkriegen.
An diesem Morgen bläst ein frischer Wind von der Küste, die Sonne scheint mir hell ins Gesicht. Ich atme mit jedem Schritt Geschichte ein, wandle zwischen Waren, Menschen und Ideen, lasse mich inspirieren von der Kraft und Schönheit dieser Stadt. Die paar Stunden, die ich in Danzig habe, werden mir viel zu kurz. Aber glücklicherweise gibt es ja einen direkten Zug, der Wien mit der Stadt an der Bernsteinküste verbindet…
Na razie, Gdańsk!
Reisedaten
Montag, 7. März 2022
Gdańsk Główny ab 11:20
Wien Hbf an 21:49 (soll) – 22:05 (ist)
1 Kommentare
Gduńsk (= kaschubisch, Du interessierst Dich ja für Sprachen^^ – klugscheißermodus aus, haha) ist echt voll die Perle.