„Wenn jemand fragt, wohin du gehst, sag: nach Bologna!“ – Diese Zeilen haben die Wiener Band Wanda im ganzen deutschsprachigen Raum bekannt gemacht. Aber auch die italienische Stadt selbst hat ein bisschen davon profitiert. Also, zumindest ich habe dort auf meiner Zugreise quer durch Norditalien einen Stopp eingelegt – und das nur, um die berühmte Tante Ceccarelli zu treffen und bei der Gelegenheit gleich auch die Liebe zu suchen.
Okay, das stimmt natürlich nicht ganz. Ich weiß ja noch aus meiner Schulzeit, dass Bologna eine sehenswerte Stadt ist. Damals im Italienischunterricht haben wir die Spitznamen von Bologna kennengelernt. La città grassa, rossa e dotta nennen sie die Italienerinnen stolz: die fette, rote und gelehrte Stadt.
Dass da was dran ist, das hat mein geschulter Blick sofort erkannt. Kaum bin ich aus dem Bahnhof draußen, lacht mich schon das erste Delikatessengeschäft an. Die Hauptstadt der Emilia Romana ist im ganzen Land für ihre kulinarischen Spezialitäten bekannt. Und das ist echt eine Auszeichnung – in Italien ist es ja wirklich schwer, schlechtes Essen zu finden!
Färb dein Rad rot
Abgesehen davon scheint Bologna auch so eine sehr lebenswerte Stadt zu sein. Zwar geht nichts über Wien natürlich, aber – das Erste, was mir am Weg Richtung Innenstadt begegnet, ist ein Schild mit einem Stadtplan. Darauf sind in Grün alle Radrouten durch die Innenstadt eingezeichnet. Und der Stadtplan ist echt ziemlich grün eingefärbt. Rundherum sind die Radabstellanlagen auch überfüllt mit Fahrrädern. Und ständig zischt jemand auf einem Rad an mir vorbei.
Das liegt natürlich daran, dass Bologna ein autofreies Zentrum hat – und eine der ältesten Universitäten der Welt beherbergt. Sie verleiht der Stadt ein studentisches Flair. Abgesehen von den Fahrrädern tummeln sich hier wirklich viele junge Leute. Und Buchhandlungen und Bars reihen sich aneinander. Das alles hängt bestimmt mit dem Spitznamen der roten Stadt zusammen. Bologna hat nämlich lange Zeit als linke Hochburg gegolten.
Ich kann mir richtig vorstellen, wie die Menschen hier früher in den verwinkelten Gassen und kleinen Cafés tagelang über Marx und Gramsci diskutiert haben. Überall sind Bücherstapel herumgelegen. Und schon in der Früh haben sie sich kämpferische Parolen zugerufen: Evviva il communismo e la libertà! Statt einem Guten-Morgen-Gruß, oder so. Heute finde ich auf einer Mauer ein Bild mit einer Art Mutter Gottes mit Säugling im Arm. Darunter steht der Spruch: Mutter Gottes des Widerstands, ernähre uns durch dich!
Bologna ist übrigens auch abseits der Politik rot. Die meinen das also echt ernst mit der Farbe! Ich gerate irgendwann in eine Gasse, wo die Häuserwände links und rechts alle in orange und rot gehalten sind. Am liebsten hätte ich mich dort hingesetzt und die Buntheit aufgesaugt. Aber Platz für ein Bankerl war dort natürlich nicht. Und so eine mittelalterliche Stadt ist ja auch super, um sich einfach ein bisschen treiben zu lassen.
Irgendwas findet sich da immer zum Schauen. Und tatsächlich – kaum biege ich um die nächste Ecke, finde ich schon wieder eine Sehenswürdigkeit: einen der berühmten Türme. Bologna ist nämlich nicht nur rot, schlau und fett, sondern auch turm… turmhaft? Turmig? Getürmt?
Turm dich hoch
Jedenfalls, ursprünglich hat es in der Stadt über hundert dieser sogenannten Geschlechtertürme gegeben. Sie gehen zurück auf das Mittelalter. Damals ist der italienische Landadel in die Städte gezogen und hat dort Bauwerke errichtet, wie sie eben am Land üblich waren. Die urbanen Ritterburgen haben dann ein bisschen eine andere Form bekommen – vor allem aber sind sie durch den Platzmangel in die Höhe gewachsen. Und je höher ein solcher Turm war, desto einflussreicher war die Familie. Größenvergleiche hat es also immer schon gegeben!
Die noch erhaltenen Türme sind echt ziemlich hoch. Man muss den Kopf ganz weit in den Nacken legen, um sie vollständig sehen zu können. Es ist ja alles so eng und verwinkelt in Bologna. Eine Ausnahme bildet ein Platz, auf dem gleich zwei dieser Türme stehen. Ihre Namen lauten, recht geheimnisvoll, Garisenda und Asinelli. Sie lehnen beide recht lässig da. Ich lerne: Schiefe Türme gibt es nicht nur in Pisa!
Arkade dein Leben
Komischerweise kommt in den vielen Spitznamen der Stadt das allerwichtigste Merkmal von Bologna gar nicht vor. Ich verleihe deswegen der Stadt hiermit noch einen Spitznamen: Bologna, la città porticata. Das heißt: Stadt der Arkadengänge. Über 38 Kilometer zieht sich die Arkadenherrlichkeit. Man könnte also fast einen ganzen Marathon durch die Arkaden laufen. Die Idee dahinter war ursprünglich, mehr Wohnraum zu schaffen. Vielleicht sind die Gassen deswegen so eng in Bologna. Andererseits sind die Arkaden halt wirklich cool. Wenn es regnet, braucht man nicht mal einen Schirm einzupacken. Und die Arkaden treten in so vielen Formen und Farben auf, dass man sich an ihnen gar nicht sattsehen kann!
Sag: für Amore
Da ist es auch nur halb so schlimm, dass die Tante Ceccarelli gar nicht zu Hause war an dem Tag. Und die Liebe – oder Amore, von der Wanda dauernd singen – die habe ich leider auch nicht gefunden in Bologna. Die paar Stunden Aufenthalt waren ja zugegeben auch echt nicht lang. Und die Liebe, die braucht sicher ihre Zeit, bis sie sich von mir finden lässt. Die Tante Ceccarelli natürlich erst recht. Andererseits hat mir die Stadt ganz schön den Kopf verdreht. Und das ist definitiv auch was wert!