Ein guter Sommertag in Hallstatt

von Stadtstreunerin | Eva

„Auf dich wartet ein guter Sommer in Österreich“: Ein besserer Slogan ist der hiesigen Tourismus-Werbung in diesem Ausnahmejahr wohl nicht eingefallen. Urlaub daheim/daham/dahoam statt im Ausland, das soll einer Infektion mit dem Coronavirus vorbeugen und außerdem die österreichische Wirtschaft ankurbeln. Zwar empfinden längst nicht alle Menschen in Österreich das Land als ihr alleiniges „Daheim“, außerdem ist Österreich ein richtig teures Urlaubsland und sicher vor einer Ansteckung ist man hier erst recht nicht (Stichwort Ischgl und neuerdings St. Wolfgang) – aber gut, ich mache mich dennoch auf die Suche nach diesem „guten Sommer“.

Dabei verschlägt es mich nach Hallstatt ins oberösterreichische Salzkammergut, das ich bisher nur aus Zeitungsberichten zum Thema „Overtourism“ kenne. An Spitzentagen kommen über 10.000 Menschen in den geschichtsträchtigen Ort mit den nur 750 Einwohner*innen, eine Anzahl, die mich bisher erfolgreich abgeschreckt hat. Dank Pandemie bleibt der Massentourismus aber heuer aus und ich bin mehr als neugierig, was mich in Hallstatt erwartet.

Auf nach Hallstatt!

Meine erste Erkenntnis: Hallstatt ganz ohne Touris bleibt wohl auch in diesem Jahr ein Traum! Kaum sind die Corona-Maßnahmen gelockert, treiben sich schon wieder etliche Menschen in dem idyllisch zwischen See und Bergen gelegenen Ort herum. Trotzdem ist es einigermaßen beschaulich, ich finde sogar gleich ein schattiges Bankerl direkt am See. Die Schilder rundherum sprechen aber Bände, wie es hier sonst so zugeht: Sie verteidigen die Privatgründe, warnen vor Taschendiebstahl und sprechen mit den Worten „Hallstatt is no museum“ vehement ein Drohnenflugverbot aus.

Hallstatt is no museum!

Tourismus ohne Over

Alle Boote sind unterwegs

Oberhalb der belebten Promenade entdecke ich bald einen steilen Steig, der durch die atemberaubend eng aneinander gebauten Häuser führt. Der Platz ist knapp in Hallstatt, und die hübschen Balkone, Veranden und Gärten gehen beinahe ineinander über. Hierher verirren sich kaum Menschen und ich genieße den wunderschönen Ausblick vom Steilufer auf den fjordähnlichen Hallstätter See.

Ein Fenster zur Welt

In früheren Jahrhunderten muss es allerdings ganz schön bedrückend gewesen sein, auf dem steilen, schattigen Hang zwischen Wald und See zu leben. Harte Arbeit gab es damals außerdem: Zweimal täglich schleppten die Frauen des Ortes eine große Trage voller Salz vom Berg ins Dorf hinunter. Was einst den Reichtum von Hallstatt begründete, ist heute ein günstiges Mitbringsel: Geschäfte bieten ganz normales Speisesalz als Souvenir an.

Glück auf!

Rastplatz für die Salzträgerinnen

Souvenir gefällig?

Der Dorfplatz von Hallstatt ist an diesem Sommertag so herausgeputzt, dass es mich fast blendet. Aber einen dunklen Gegensatz gibt es auch in Hallstatt: Etwas erhöht am Friedhof gelegen, befindet sich das Beinhaus. Hier lagern Gebeine und Totenschädel, schön bemalt und übereinander gestapelt – makaber und weltweit einzigartig. Der örtliche Friedhof war lange Zeit zu klein, um alle Verstorbenen in eigenen Gräbern aufzunehmen; mittlerweile gibt es aber einen zweiten etwas außerhalb.

Strahlend schönes Hallstatt

Die Augen der Jahrhunderte

Grundsätzlich ist es bis heute möglich, sich dort bestatten zu lassen – der jüngste Schädel im Beinhaus ist mit dem Jahr 1983 datiert. Ein paar Minuten bin ich ganz alleine in der kleinen Kapelle und lasse mich von den leeren Augenhöhlen anstarren, bis mir ganz schummrig wird. Alleine schon deswegen ist Hallstatt eine Reise wert – auf einmal kann ich den Hype um Hallstatt ein kleines bisschen nachvollziehen.

Viel Leid und wenige Blumen

Nicht zuletzt auch, weil ich mit der Bahn anreise: Der Bahnhof ist auf der gegenüberliegenden Seite des Sees, zwischen dem Bahnhof und Hallstatt selbst fährt ein Boot hin und her. Die An- und Abreise mit dem Zug inkludiert schon mal großartige Ausblicke auf den Hallstätter See! Noch dazu ist das Seeufer links und rechts vom Bahnhof frei zugänglich. Bevor mein Zug zurück nach Wien fährt, gehe ich also noch eine Runde in dem kühlen Wasser schwimmen. Während Hallstatt gegenüber langsam im Schatten der hohen Berge versinkt, bringt die Sonne das dunkle Wasser um mich herum zum Glitzern. Das bringt mich glatt zum Nachdenken: Kann das vielleicht dieser gute Sommer in Österreich sein?

Mach’s gut, Hallstatt, vielleicht sehen wir uns ja im Winter* wieder!

Schon schön im Schatten

Kleines Uferkunstwerk

*Am 12. Dezember 2020 findet in Hallstatt ein Wettbewerb im Eisschwimmen statt!


Weiterlesen

Hallstatt: Idylle für die Massen: Ein Bericht im Standard

Hallstatt: Ein malerisches Dorf wird vom Massentourismus überrannt: Eine Reportage der Reisebloggerin Julia Lassner

Auf dich wartet ein guter Sommer: Die Kampagne der Österreich-Werbung

Weiterlesen

2 Kommentare

Melli 13. August 2020 - 12:44

Liebe Eva,
da hatten wir ja denselben Gedanken. Hallstatt steht heuer bei mir auch noch auf dem Plan. Wenn denn alles gut geht.
Liebe Grüße
Melli

Reply
Stadtstreunerin 13. August 2020 - 21:08

Ich halte dir die Daumen!

Reply

Schreibe einen Kommentar

*