Dieser Sommer hat mich nach Stuttgart gebracht! Aber nicht zum ersten Mal: Schon vor gut zehn Jahren bin ich einmal auf dem Weg nach Straßburg in Stuttgart umgestiegen und kann mich noch vage an einen verwirrenden Bahnhof und an eine nette Altstadt erinnern. Das ist im Prinzip seitdem auch so geblieben – der Bahnhof ist immer noch eine Großbaustelle („Stuttgart 21“) und die Stadt kann sich trotz des verregneten Wetters sehen lassen.
Trotzdem, ohne meinen Freund Thomas, der seit einiger Zeit wieder in seiner Heimatstadt lebt und mich eingeladen hat (und mit dem ich vor Ewigkeiten mal in Prag war), wäre ich wohl nicht mehr so bald nach Stuttgart gekommen. Bekannt ist die Hauptstadt von Baden-Württemberg nämlich vor allem für ihre Autoproduktion, also etwas, das mich gar nicht – wirklich gar nicht! – interessiert. (Das große Mercedes-Museum lasse ich deswegen links liegen.) Und die Stuten, die der Stadt ihren Namen gegeben haben, sind auch längst aufs Land gezogen…
Hopser auf den Bopser
Was gibt es in Stuttgart sonst noch zu sehen? Das lässt sich schon von der Weite erkennen: Der Stuttgarter Fernsehturm zählt zu den coolsten Sehenswürdigkeiten von Stuttgart. Schon alleine, weil er auf einem Hügel namens Hoher Bopser steht und damit weithin sichtbar ist, aber auch, weil er der erste Fernsehturm seiner Art weltweit ist. 1956 eröffnet, hat der Fernsehturm bald einen Architekturpreis gewonnen und mit seinem Design die Welt erobert. Ich bin mir sicher, dass der Donauturm in Wien ein naher Verwandter ist und nehme mir vor, bei nächster Gelegenheit auf den Donauturm zu fahren (ich war da tatsächlich noch nie oben).
Nach nur 36 Sekunden Fahrzeit sind wir auf 150 Meter Höhe angelangt. Anfangs zittern mir die Knie angesichts so vieler Aussicht, aber die tiefen Regenwolken federn meine Höhenangst elegant ab. Selbst von hier heroben lässt sich die Baustelle rund um den Bahnhof gut erkennen, so groß ist sie. Neben diesem städtebaulichen Megaprojekt fällt mir aber vor allem auf, wie grün die Stadt ist: Neben dem Hohen Bopser gibt es in Stuttgart noch zahlreiche weitere Wäldchen, Weingärten und Parks.
Steilhänge in der Prärie
Wenn man von Wien aus nach Stuttgart reist, fährt der Zug die längste Zeit durch flache Landschaft. „Ich wohne in der Prärie“, sagt eine Frau zu mir, ehe sie an einer Haltestelle im Acker-und-Wald-Nirgendwo aussteigt, und tatsächlich lässt hier der Wilde Westen von Deutschland grüßen.
Stuttgart selbst ist aber ganz schön steil! Die Stadtbewohner*innen haben deswegen schon im vorvorigen Jahrhundert damit begonnen, die Steilhänge rund um die Innenstadt zu erobern. Die moderne Zahnradbahn (Spitzname „Zacke“), deren Vorläuferin schon ab dem Jahr 1884 unterwegs war, und die gut erhaltene Standseilbahn aus dem Jahr 1929 sind definitiv eine Reise wert – im doppelten Wortsinn! Ein paar schöne Blicke auf das Tal, in dem Stuttgart liegt, gibt es gratis dazu.
Mit ohne Charme
Die Innenstadt von Stuttgart ist für mich schwer einzuordnen: Da ist die schmucklose, längst in die Jahre gekommene Nachkriegsarchitektur, da reiht sich ein Geschäft einer weltweiten Kette an das nächste, da ist es laut und hektisch. Was Charme angeht, sticht Stuttgart unter den deutschen Innenstädten wirklich nicht hervor.
Allerdings nur auf den ersten Blick! In dem künstlich angelegten Feuersee rund um die evangelische Johanneskirche schwimmen Schildkröten, Schwäne und Fische, in der Fußgänger*innenzone höre ich im Schatten der hohen Platanen einem Straßenmusiker zu, auf einem ehrwürdigen Denkmal finden sich feministische Parolen und im Café des Kunstmuseums gibt’s zu jedem Kaffee ein frisches Croissant dazu geschenkt.
Wald, Wiese & Stuttgart
Habe ich schon erwähnt, dass Stuttgart eine grüne Stadt ist? Gerade in diesem Sommer fällt das wohl noch mehr als sonst auf: Seit Wochen regnet und gewittert es in Stuttgart, immer wieder kommt es sogar zu kleinen Überflutungen (glücklicherweise aber nicht in dem Ausmaß wie anderswo im Westen Deutschlands). Das viele Wasser im Boden und in der Luft sorgt dafür, dass Stuttgart regelrecht von Pflanzen zugewuchert wird.
Am Waldfriedhof inhalieren wir unter den hochgewachsenen Bäumen die gute, frische Luft nach dem Regen, in den Feldern etwas außerhalb der Stadt gehen wir spazieren, bevor sich das nächste Gewitter ankündigt. In den Weingärten dampft die Luft, abends leuchtet der Mond alles romantisch aus. War es in der Innenstadt schon beschaulich, wird es in den grünen Rückzugsräumen von Stuttgart richtig idyllisch.
Die Zeit in Stuttgart wird mir glatt zu kurz. Tja, da muss ich wohl wiederkommen – und hoffentlich nicht erst in zehn Jahren!